
am Romanschauplatz Malina _ Wien
Ingeborg Bachmann ist mir natürlich von meiner Tätigkeit als Deutschlehrer vertraut. Persönliches Interesse rief bei mir ihr Feuertod 1973 hervor. Diese Form ist doch ein seltenes Zeichen, um aus dem Leben zu gehen. Ich begann mich dann mehr für ihr Leben zu interessieren.

Sehr berührt hat mich das offene Erzählen Ingeborg Bachmanns über ihre Kindheit und die erlittenen Traumata, aus denen sie nie ausbrechen konnte. Der übermächtige Vater aber auch ihre Kriegserfahrungen im Heranwachsen sind da zentral.

Diese toxischen Elemente ihrer Traumata hat sie wohl auch in ihren Beziehungen, vielleicht sogar zwanghaft, ausgelebt.
Wahrscheinlich hat Ingeborg Bachmann immer in ihrem Leben einen Mann gesucht, der nicht so ist wie der Vater.

Die Summe ihrer Erfahrungswerte haben für sie dann wohl gezeigt, dass es keinen Platz im Leben gibt und sie hat dann sehr deutlich den Weg der Flamme gewählt. Vielleicht auch mit der Idee, ich will nicht, dass von mir etwas körperlich überbleibt, außer dem, was ich geschrieben. Vielleicht war es dieses Statement. Jedenfalls geistert dies in meinem Kopf herum.

Ich habe viel über die Umstände ihres Todes und die Ereignisse wie Theorien darüber gelesen. Aber mein Hineinspüren führte mich zur Annahme des Freitodes. Das ist mir näher und schlüssiger. Ich weiß nicht warum, es ist aus dem Bauch heraus.

Das Beziehungsmodell im Roman kommt heute noch viel deutlicher zum Ausdruck. Denn die Frau in der Gesellschaft ist so viel Zerrissenheit ausgesetzt.

Mir ist jetzt in der Vorbereitung zu diesem Foto/Interviewtermin zu Malina noch ein Zitat Bachmanns im Kopf, in dem sie von der Krankheit der Männer spricht. Ich sprach dann auch mit einer Freundin darüber und sie meinte, dass Männer und Frauen gar nicht so unterschiedlich sind aber die Gesellschaft lässt uns auseinander driften.

Dass was Ingeborg Bachmann durchmachen musste und worüber sie im Roman Malina schreibt, das hat sich nicht überholt. Die Zerrissenheit geht weiter.

Wir Männer sind in großer Unsicherheit verhaftet und dies spürt die Frau.

Bei Ivan geht es bei der Frau im Roman vom momentanen Kick zur Co-Abhängigkeit und Abhängigkeit. Und dann kann sie nicht mehr anders als hinter ihm her zu sein. Bis Ivan Stopp sagt „dies ist mir zu viel“. Dies erlebt Frau heute auch und noch schneller.

Ein Mann zieht schon oft zu Beginn einer Begegnung den Mut wieder ein, weil er sagt, ich traue mich nicht mehr eine Beziehung einzugehen, mich zu spüren und in dieses Abenteuer der Liebe in Heute und Morgen zu gehen.

Der Mann sagt, „Beziehung – ich kann das nicht mehr, ich habe das vergessen wie es geht“. Und dreht sich dann am Morgen oder noch am Abend nach dem Glas Wien im Wirtshaus wieder um und geht.

Es gibt auch heute den draufgängerischen Liebhaber. Das fehlende Selbstbild ist allerdings noch stärker ausgeprägt und seine „Halbwertszeit“ in der Begegnung daher kürzer.

Der moderne Mann sucht sich selbst. Individuell wie in der Gesellschaft. Er ringt mit den vielen Bildern darin.

Wir Männer trauen uns nicht mehr, über uns selbst nachzudenken. Was wir wollen, wohin es gehen soll in Begegnung und Beziehung.

Was Bachmann und viele Kolleginnen über Frau, Mann, Gesellschaft schrieben, ist auch nach 50 Jahren hoch aktuell und dringend.

Das Bild der Männer im Roman ist nicht überzeichnet, das ist live aus dem Herzen geschrieben.

Das Kaputtsein des Mannes ist auch heute Zustand. Nur das Wie variiert.
Wir Männer wollen so viel. Wir wollen geliebt sein und die Helden sein. Innerlich sind wir kaputt. Bachmann hatte recht.
Das Patriarchat, seine Geschichte, lastet heute schwer auf uns Männern.

Wo wird das Männer- und Frauenbild in 50 Jahren sein?
Eine Freundin sagte mit vor kurzem „ich halte meinen Mann nicht mehr aus“. Da ist kein Selbstbewusstsein, keine Kontur, nur Leere. Meine nächste Beziehung wird mit einer Frau sein.

Bachmann hat das Schweigen des Mannes gespürt. Diesen toten Winkel, der ein ganzer Raum eines Lebens und einer Beziehung sein kann. Und sie hat dagegengehalten mit aller Kraft.


Ivan konnte aus seiner Rolle nicht herausfinden. Es ist wohl das klassische Bild eines Narzissten.

Es sollte in einer Beziehung ein gemeinsames Lernen in Geduld und Vertrauen gehen. Auf Sicht kann es nur so funktionieren.

Es geht in einer Beziehung nicht um Überlegenheit. Beginnen wir damit aufzuhören.

Wir Männer sollen ehrlicher zu uns selbst sein. Reden wir über unsere Sorgen und Ängste.
Die Frauenwelt ist innerlich freier als jene der Männer. Der Roman zeigt das ja auch deutlich.
Wir sollten als Männer wieder bunter werden!

am Romanschauplatz Malina _ Wien
50 Jahre Malina _ Roman _ Ingeborg Bachmann _ im Gespräch und Fotoporträt:
Peter Nitsche_Schauspieler_Wien _
Station bei Ingeborg Bachmann_Romanschauplatz_Malina_Wien.
Interview und alle Fotos_Walter Pobaschnig _Wien_6_2020.