„Männer können oft nicht die Pappn halten“ Franz Josef Danner, Schauspieler_ Romanjubiläum Malina _ Wien 25.7.2021

Franz Josef Danner_Schauspieler

In Wien lassen mich Gebäude und Stadtarchitektur immer ob ihrer Schönheit wie Entstehungsgeschichte staunen. Ich setze mich oft hin, sehe hinauf und denke, dass da ja eine Idee ihre Umsetzung fand aber viele Menschen beteiligt waren bzw. auch persönlich zurückstecken mussten, weil jemand sagte, „diese Statue am Dach ist es jetzt und ihr kopiert mir diese noch dreimal.“ Ich denke, dass diese Bauwerke, diese immensen Konstrukte, auch eine je eigene menschliche Geschichte zu erzählen haben und genau dies steckt wohl auch im Roman Malina – Wie ist das Gewordensein? Wer bin ich? Was tue ich? Wann, warum, wofür und für wen? Welcher Mensch oder wessen Statue bin ich?

Jeder Bezirk Wiens hat eine eigene architektonische Landschaft. Es ist eine eigene Sprache. Das geht ja von innen und nach außen, greift durch die Zeit und reflektiert dies.

Manchmal wünsche ich mir im Gang durch Wien einen Knopf, den ich drücken könnte und die Menschen der Jahrhunderte erzählen dann über Stein und Werden dieser Stadt. Bis ein Gebäude, eine Statue geschaffen war und der Kaiser kam und sagte „gfallt ma“.

Ein Roman ist immer ein sehr persönliches Werk. Da steckt immer viel Biographie drin. Es ist die eigene Handschrift der inneren Welt, auch ein Stück einer psychoanalytischen Offenbarung.

Die Konstruktion eines Romans, wie eines Bauwerks, ist sehr komplex. Interessant ist etwa, inwieweit die Personen, die im Schreibprozess ihr feedback geben bzw. ja auch im Roman vorkommen, da eine Rolle spielen und ihre Handschrift hinterlassen.

Lesen ist immer auch ein Schritt in die Autorin/den Autor, in die Nähe davon.

Es ist in Malina beeindruckend wie Ingeborg Bachmann gleichsam Emotionen und Leben ganz natürlich, unmittelbar darstellt. Literatur und Leben sind da ganz eng beieinander.

Malina und Ivan haben Schwierigkeiten Dinge entwickeln zu lassen, für sich passieren zu lassen bzw. nur zu unterstützen. Bei beiden geschieht alles aus der Idee der Kontrolle heraus.

Ivan ist nicht oder zu wenig einfühlsam. Er hofft, das richtige Wort wird die Dinge klären und dann ist es erledigt. Das kann mit seinem Beruf zusammenhängen. Für die Frau, die Ich-Erzählerin ist dies natürlich ganz unpassend.

Malina kritisiert die bestimmende Ivan-Variante und macht in Wahrheit dasselbe. Er versucht bei ihr eine Selbstauseinandersetzung anzustoßen aber er kann doch nicht auslassen was die Kontrolle betrifft.

Ivan und Malina sind sehr zwingende Charaktere und lassen die Sensibilität ihr Gegenüber vermissen. Dass sie selbst eine Entscheidung trifft. Beide sind sehr verbissen. Das „tua!“ ist bei beiden markant.

Malina ist ein Ruhepol für sie, eine intellektuelle Stütze. Ich weiß nicht ob sie weiteres von ihm erhofft? Vermutlich Linderung, Besserung?

Sie ist definitiv in einer schwierigen psychologischen Situation, dies ist auch für ihre Freundschaften herausfordernd. Da braucht es psychologische, professionelle Hilfe. Malina hat ja auch die Rolle eines Ersatz-Psychologen, scheint mir.

Die Beziehung zu ihr ist für Malina und Ivan eine klassische Form der Selbstbestätigung. Malina sieht sich selbst in der überlegenem intellektuellen Position, in der er geben kann. Er definiert sich darin und genießt es durchaus, der zu sein, an dem man sich anlehnt, den man um Hilfe, Information, um eine Stütze bittet. Ivan ist sehr zweckorientiert. Alles hat Zweck und Ziel. Die Überlegenheit stützt wohl seine Männlichkeit, seine banalisierte Version davon.

Für Malina und Ivan geht es in der Beziehung zu ihr um Selbstdarstellung, Selbstbeweihräucherung.

Die Telefongespräche mit Ivan sind nutzloses Reden.

Sie hofft, wie so oft, dass Hilfe von außen kommt, dass Ivan dies ist.

In einem guten Gespräch ist das Gegenüber nicht mehr als ein Mikrofon. Da muss nichts rauskommen. Das Aussprechen ist das Wesentliche. Es geht um die Verarbeitung des Sprechenden selbst und daran soll der Gesprächspartner/die Gesprächspartnerin teilnehmen. Allerdings, wenn man selbst als Gegenüber gestresst ist, dann neigt man zu Lösungsvorgaben und nicht dazu jemanden sich selbst entfalten zu lassen.

Aussprechen ist Heilung.

Für das Reden braucht es den richtigen Zeitpunkt mit dem/den richtigen Menschen.

Männer können im Gespräch oft nicht „die Pappn halten“.

Männer neigen sehr schnell dazu zu einer Lösung springen zu wollen. Geh` einmal mit einem Mann einkaufen – „Des, gemma!“ (lacht).

Männer triumphieren mehr als sie wirklich hinkriegen.

Wir neigen viel zu sehr dazu die Welt mit eigenen Augen zu betrachten und damit zu entschlüsseln und vergessen, dass dies kein vernünftiges Miteinander schafft.

Wenn dein eigenes Leben ziemlich „gmaht“ war, hast du wenig Verständnis für das Existieren anderer in Widerständen, in Problemen, Angst, weil das für dich nie existiert hat.

Als Schauspieler ist das ja grundsätzlich ein Thema – wie willst du jemanden spielen, dessen Leben du nicht gelebt hast, der weit entfernt ist? Da beginnt dann das künstlerische Überlegen und Entwickeln. Im realen Leben gibt es das natürlich nicht so methodisch.

Für die Ich-Erzählerin bräuchte es Menschen, die versuchen zu verstehen warum es ihr so geht als gleich eine Lösung zu suchen. Das ist auch 50 Jahre danach ein Thema.

Du kannst verliebt sein und dich damit zerstören.

Wenn es nicht passt in der Liebe, hast Du hoffentlich die Nüchternheit es zu beenden.

Ich kann der Ich-Erzählerin nichts raten. Sie ist nicht ich.

Persönlich ist meine Philosophie, ich möchte so vielen Menschen helfen wie möglich. Aber wenn ich es nicht kann, tue ich es nicht. Wenn ich helfen kann, sehr gerne. Aber wenn es nicht möglich ist, nehme ich nur das emotionale Packerl am Rücken mit. Dann geht es beiden schlecht.

Oft muss man nach- und loslassen. Verbeißen kann gefährlich sein.

Manches Erlebte ist einfach zu eingebrannt. Du kannst nur damit zu leben versuchen, zu lernen zu leben und nicht per se dies zu bewältigen.

Das Fremde, Nicht-Verstandene ist oft das Bedrohliche. Wir sehen das auch in unserer Gesellschaft.

Der Wille zum Verstehen-Wollen des Anderen fehlt oft. Es gibt Besserungen aber die Mühlen mahlen langsam.

Ein Selbstbild zu gewinnen? Das ist Glück. Es ist wie bei Erfolg. Es ist Glück. Wir reden uns da viel anderes ein. Es gibt da keinen Plan.

Die Erfolgreichen sollten aufhören überheblich zu sein.

Conan O`Brien sagte: „Du kannst es schaffen Deinem Traum zu folgen solange du nicht hoffst, dass alles so passiert wie Du es Dir vorstellst“.

Mein Wunsch war schon in der Kindheit etwas zu finden wo es Zuspruch, Anerkennung gibt. Die Bühne, das Schultheater, war dann mit elf, zwölf Jahren so ein Ort für mich, es gab Applaus. Das habe ich im Kopf beibehalten.

Ich habe dann eine Schlosserlehre absolviert. Meine Eltern wollten, dass ich etwas „gscheits“ lern`. Ich finde das auch grundsätzlich gut. Mit der Zeit begann ich dann zu verstehen, dass mein Weg zum Schauspiel der richtige für mich ist und ich ging dann mit einem Freund, wir motivierten uns gegenseitig, nach Berlin auf die Schauspielschule, eine private. Es war alles sehr impulsiv und schnell. Diese private Schauspielschule war katastrophal. Es waren drei Jahre Quälerei in allem. Hunger, leben von „Mehl und Wasser“, Lehrer, die in die Stunde hereinpreschten und schrien „wo ist mein Geld“. Ich habe viel gelernt aber nicht wegen der Schauspielschule. Ich war dann kurz in einem Comedy-Theater und dann ging es zurück nach Oberösterreich und schließlich jetzt Wien. Und es geht weiter, „mal schaun wann ich ankomm`“ (lacht).

Die Liebe war für mich ein trigger – Punkt. Meine Freundin hat mich zum Schauspiel gebracht (lacht). Wir waren im Kennenlernen beide in einer Situation, in der wir sehr glücklich waren, uns jetzt zu haben. Es war sehr fördernd. Unser Weg nach Wien war dann ein beruflicher Neubeginn für uns beide.

Du fängst in der Weltsicht oft an mit dieser absurden Idee – da sind die Guten, die Bösen, die Dummen, die Gscheitn und irgendwann kommst du immer mehr drauf, wir sind nur ein Haufen Affen, die alle versuchen mit ihrer Situation klarzukommen.

Die Wahrheit ist nie simpel.

Alles was du versuchen kannst, ist, der Welt ehrlich gegenüberzustehen.

Wichtig ist, es nicht mit einer leichten Lösung zu dir selbst und der Welt zu versuchen.

Das Nachdenken über Vergangenheit, über das persönliche Gewordensein ist wichtig. Der Roman hat ja da auch seine Mitte.

Ich hatte einmal Schwierigkeiten mit einem Kollegen, eine Distanz zu ihm. Ich habe den Grund dann in meiner Vergangenheit wiedergefunden. Der Kollege war ein trigger für Personen darin, eine Projektionsfläche dafür. So konnte ich es für mich verstehbar machen und diesem Problem begegnen. Ich komme jetzt mit den zwei Personen der Vergangenheit wie dem Kollegen besser klar. Es relativiert sich natürlich auch vieles Erlebte, Empfundene in der Rückschau.

In Wien genieße ich das Spazieren im Blick auf das Schöne dieser Stadt. Ich bin aber auch gerne am Land, vermisse es auch.

Ich komme mit den Menschen der Stadt auch gut klar. Auch die Vielfalt der Menschentypen ist erstaunlich. Ich komme ja vom Land, da kennst du jeden. Hier gibt es jeden Tag neue Begegnungen, extravagant und exzentrisch. Das ist spannend, lustig und auch tragisch.

Das Ende des Romans ist ja offen. Es ist aber die Frage, welche Schlussfolgerungen Malina und Ivan aus dem Verschwinden der Frau ziehen. Wahrscheinlich siegt bei Malina seine Pragmatik und er beendet es innerlich. Oder es gibt weiteren Kontakt, das wäre möglich. Für Ivan ist es einfach vorbei – „aus, da bekomme ich nichts mehr davon“.

Liebe auf den ersten Blick? Jein. Es gibt ein erstes Interesse, Sympathie.

Zu Beginn ist Liebe eine animalische Vernarrtheit.

In der Liebe beginnt der Mensch immer mehr sich selbst im Anderen zu sehen, zu verstehen, anzunehmen, zu lieben.

Literarisch haben mir die Telefongespräche und die Briefe besonders gut im Roman gefallen. Besonders die Szenen am Telefon, das ist sehr treffend und die Briefe haben so eine finale Reflexion. Ich habe den Roman jetzt in der Hörfassung kennengelernt. Da ist auch die Soundkulisse dazu spannend.

Utopien in der Kunst? Ich bin persönlich gespannt was kommt. Und das ist ja anders als man denkt (lacht).

Franz Josef Danner_Schauspieler

50 Jahre Malina _ Roman _ Ingeborg Bachmann _ im Gespräch und Fotoporträt:

Franz Josef Danner_Schauspieler_Wien _

Station bei Ingeborg Bachmann_Romanschauplatz_Malina.

Interview und alle Fotos_Walter Pobaschnig _Wien_7_2021.

https://literaturoutdoors.com

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