„Zu wagen, zu machen, zu sagen, was eben aus dem Geist in die Welt muss“ Annamaria Kowalsky, Komponistin_Wien 3.7.2021

Liebe Annamaria, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?

Ich bin recht beeinflusst vom Ort, an dem ich aufwache – ich habe eine
Wohnung in der Josefstadt und ein Häuschen im Wienerwald und verbringe
etwa die Hälfte der Zeit am jeweiligen Ort. Meine Tagesabläufe variieren stark
und sind von meinen Projekten geprägt. Ich arbeite sehr intensiv, dementsprechend wichtig sind für mich Momente der Stille und Phasen der Regeneration. Ich nehme mir auch bewusst Zeit, um Neues auszuprobieren und zu lernen, ich finde die Konfrontation mit dem eigenen Unvermögen und den verschiedenen Phasen des Lernens sehr gesund, außerdem hat dies das natürliche Spiel in mein Leben zurückgebracht.

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?

Ehrlichkeit und die Besinnung auf sich selbst. Die Menschen wurden in den
letzten Monaten in einem außergewöhnlichen Maße auf sich selbst
zurückgeworfen, das birgt ein unglaubliches Potential, auch wenn der Prozess
unangenehm und schmerzhaft sein kann.

Als Mitmensch zählen nun Empathie und Ernsthaftigkeit, in dem Sinne, dass
man die Zustände des anderen ernst nimmt und nicht aus dem eigenen Kontext
heraus relativiert. Jeder agiert als Hauptrolle seiner Geschichte und in den
seltensten Fällen weiß man als Nebenakteur über alle Hintergründe Bescheid,
da fände ich es wichtig einfach Raum zu geben und da zu sein. Ein offenes Ohr
und ein hörender Geist sind mehr wert als die meisten Ratschläge zusammen.

Vor einem Aufbruch werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen.
Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Musik, der
Kunst an sich zu?

Für mich ist die Konfrontation mit Kunst vergleichbar mit dem Betreten eines
Raumes, man trifft darin aber auch immer einen Teil von sich selber an. Die
Kunst, die während der Pandemie und danach entsteht, ist natürlich stark von ihr geprägt, Krisen waren schon immer ein Nährboden für Kunst.

Was aktuell passiert muss auch mal verdaut werden, Einsamkeit, Distanz und Isolierung sind große Themen, die in einer Begegnung in und durch die Kunst auch gemeinsam verarbeitet werden könnten.

Ich denke, den Menschen wurde auf unangenehme Weise klar, wie relevant
Kunst für die Gesellschaft, nicht nur für die Besucher, sondern auch für die
Schaffenden ist, denn es braucht diesen Ernst der Menschen, die spüren und
wissen, dass ihr Ausdruck es wert ist, entlohnt zu werden. Künstler sind die
mehr oder weniger geheimen Vorbilder der Gemeinschaft – die, die sich trauen
der inneren Stimme zuzuhören, zu wagen, zu machen, zu sagen, was eben aus
dem Geist in die Welt muss.

Was liest Du derzeit?

„Wenn Mütter nicht lieben“ von Susan Forward und „Rettet das Spiel“ von
Christoph Quark und Gerald Hüther

Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?

„Der Künstler ist ein Behälter für Emotionen, die aus der ganzen Welt kommen:
vom Himmel, von der Erde, von einem Stück Papier, von einer vorübergehenden
Form, von einem Spinnennetz.“
Pablo Picasso

Vielen Dank für das Interview liebe Annnamaria, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Musik-, Kunstprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute! 

5 Fragen an KünstlerInnen:

Annamaria Kowalsky, Komponistin, Musikerin, Künstlerin

Annamaria Kowalsky

Foto_Selbstporträt_ Annamaria Kowalsky

29.5.2021_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.

https://literaturoutdoors.com

Hinterlasse einen Kommentar