„Wie ist es möglich, da zu sein?“ Rainer Maria Rilke – Lou Andreas Salomè – Uraufführung_Theater Arche Wien 19.5.2021

„Wie ist es möglich, da zu sein?“ Bernhardt Jammernegg, Michaela Khom, Jakub Kavin

19.Mai 2021. Wiedereröffnung der Theater in Österreich. Erinnerungen, Gedanken begleiten auf dem Weg zum ersten Live-Bühnenabend nach dem Lockdown. Wann ging das letzte Mal das Bühnenlicht an? Im November letzten Jahres, oder?

Vor dem Theater Arche in der Münzwardeingasse 2a im sechsten Wiener Gemeindebezirk befinden sich schon Besucher*innen im angeregten Gespräch. Ein Wiedersehen nach langer Zeit. Besondere Augenblicke. Augen und Blicke lachen.

Die so engagierte Theaterleitung, der Theaterdirektor Jakub Kavin und Manami Okazaki, Sopranistin, Schauspielerin, Co-Leitern und musikalische Leiterin des Theaters, begrüßen die vielen Ankommenden und leiten in den Innenbereich zur Registrierung. Eine Routine, die schon selbstverständlich geworden ist. Die Freude auf den ersten Theaterabend ist rundum wahrzunehmen und zu spüren.

Dann der Gang in den Theaterraum. Es sind ganz bewusste Schritte, die alle jetzt in den Raum und zu den Sitzplätzen setzen. Wenig wird gesprochen, die Wirkung, die Aura des Theaters wird gleichsam wieder inhaliert. Ein langer Atemzug der Seele. Tief und fest. Da braucht es nicht viele Worte. Die Sinne haben zu tun und sie genießen es.

Auf der Bühne Dunkelheit. Drei zarte, durchsichtige Vorhänge und ein Keyboard umreißen den Spielraum. Dann ein Lichtkegel. Ein Anfang. Ein Sinnbild auch für die Zeit, das Erlebte. Eine Zeit, die viel an Innerem ins Dunkel wie ins Licht brachte. Fernes und Nahes eines Lebens.

So ist es heute und so war es damals.

Im Leben eines Dichters etwa – Rainer Maria Rilke. Es sind Gedanken an seine Mutter, die ihn jetzt im schmalen Lichtschein in der Dunkelheit umgeben. Die starken Bilder der Kindheit sind es. Und die Fragen – Wie war es? Wer war ich? Wie habe ich erlebt und was blieb?

Und da Lou Andreas-Salomé, Schriftstellerin, Psychoanalytikerin, Philosophin. Ihr Blick fällt auf die Seele des Dichters, des Mannes. Wer bist Du? Wer willst Du sein? Ihr Wort ist aufmerksam und einfühlsam. Du darfst sein. Du Mensch, Mann, Künstler.

Es ist jetzt ein Tanz in Musik, Wort und Stille. Spiegelbilder begegnen sich. Stehen zart in Licht und Schatten. Sagen und fragen. Denken und schweigen. Singen und begegnen. Geben Räume, Wege frei, lassen Erinnerungen zu und lassen Erinnerungen verschwinden. Kosten das Licht und nehmen das Jetzt an. Wie es ist. Eine Suche. Leben und Liebe – Wie ist es möglich, da zu sein?

Die Uraufführung „Wie ist es möglich, da zu sein?“ des Theater Arche Wien am Wiedereröffnungstag der Theater in Österreich ist eine sehr poetische feinfühlige Hommage an die Einsamkeit und Kraft des Lebens und der Liebe. Texte, Erinnerungen von Rainer Maria Rilke und Lou Andreas Salomè sind szenische Ausgangs- und Angelpunkte eines Theaterabends, der Spannungen von Bedürfnis und Identität gleichsam zeitlos begeisternd anschaulich macht.

Das Ringen des Menschen um Erkenntnis und künstlerischen Ausdruck zwischen Begehren und Passion ist die Mitte der Dichtung Rilkes wie des schriftstellerischen Werkes von Andreas-Salomè. Die Inszenierung schafft es mittels einer beeindruckenden schauspielerischen wie musikalischen Präsenz und Variation Poesie wie Reflexion zu verbinden und gleichsam in den Raum fließen zu lassen. Zart und bitter, in aller Kraft und Schönheit des Wortes und der Musik. Das ist ein ganz besonderer Kunstgriff, der auf allen Ebenen aufgeht. Poesie und Sinn werden zur packenden Ansprache, die in das Herz von Mensch und Zeit treffen.

Es ist ein Theaterabend, der meisterhaft erzählend in Wort und Musik nachdenken und träumen lässt.

Die hervorragenden Darsteller*innen Jakub Kavin – brilliante Inszenierung wie Schauspielpräsenz im facettenreichen, auch mehrsprachigen, Spiel – Bernhardt Jammernegg –  wie gewohnt glänzende, kraftvolle wie einfühlsame Darstellung, diesmal auch mit beeindruckendem Gesang und Michaela Khom – einzigartig wie die Schauspielerin und Musikerin in Spiel und Stimme, Wort und Musik, überzeugt, zweifellos eine Entdeckung des Wiener Theaters in seiner variantenreichen Verbindung von Musik und Darstellung – beschenken das Publikum auf allen Theaterlinien. Ebenso ist das Kostümbild, Bühnen-, Musik- wie Lichttechnik zu loben.

Theater als Genuss für alle Sinne. Und das zur richtigen Zeit. Vielen herzlichen Dank!

Wie ist es möglich, da zu sein _ Uraufführung Theater Arche_Wien

eine Collage aus Texten von Rainer Maria Rilke und Lou Andreas-Salomé

Premiere 19.Mai. 2021 um 19:30h

weitere Vorstellungen 20, 21. und 22. Mai sowie 27., 29. und 30. Juni 2021 jeweils um 19:30 Uhr.

Regie: Jakub Kavin.
Musik: Michaela Khom und Bernhardt Jammernegg.
mit: Michaela Khom, Jakub Kavin und Bernhardt Jammernegg.                                        Kostüme: Christian Alfred Kahrer

Theater Arche – Münzwardeingasse 2a, 1060, Wien.

office@theaterarche.at

Wie ist es möglich, da zu sein – TheaterArche

19.5.2021 _Walter Pobaschnig _ literaturoutdoors

Alle Fotos_Walter Pobaschnig.

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