Liebe Elodie, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Das ist immer ganz unterschiedlich. Vor dem letzten Lockdown im April des Jahres war ich drei bis vier Tage die Woche im Bildraum 01, um Besucher*innen durch meine Einzelausstellung „Guarding Lions“ zu führen. Jetzt bin ich wieder viel zu Hause.

Ich versuche immer zur gleichen Zeit aufzustehen, um eine Struktur zu schaffen. Es gelingt nicht immer, oft fange ich schon während des Frühstückes zu arbeiten an und merke erst gegen Mittag, dass ich noch im Pyjama bin. Die Grenze zwischen Arbeit und Freizeit verschwimmt immer mehr.

Im Moment fotografiere ich ganz wenig, ich arbeite eher am Computer und erledige administrative Sachen oder ich plane die nächste Ausstellung. Eigentlich Sachen, die früher schon Teil meines Alltages waren, die aber jetzt in den virtuellen Raum verlegt worden sind.
Am Nachmittag gehe ich an die frische Luft: Spazieren, Joggen oder Radfahren, egal, Hauptsache Bewegung und runterkommen.
Abends schaue ich meistens einen Film oder ich lese ein Buch.
Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Wichtig wäre in solchen Zeiten, sich keine Sorgen um die eigene Existenz machen zu müssen. Also ganz idealistisch ausgedrückt: faires Wohnen für alle, bedingungsloses Grundeinkommen, eine richtige Sozialpolitik.
Realistischer wäre es aber: Empathie, Ruhe, Kontakt zu Anderen weiterpflegen… und mal wieder ein bisschen Sonne.

Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Kunst an sich zu?
Die Pandemie hat viele systemischen Ungleichheiten sichtbar gemacht und verschärft. Ich bin aber nicht überzeugt, dass wir vor einem Aufbruch stehen. Es hat sich natürlich viel verändert und die derzeitige Situation ist für uns alle komplettes Neuland. Ich hoffe nur, dass wir das als Chance nutzen werden und um selbst zu organisieren und radikaler zu arbeiten.
Die Rolle der Kunst ändert sich dabei aber nicht: Auf Krisen zu reagieren, Wege zu schaffen, Prozesse sichtbar zu machen, das war immer ihre Rolle. Kunst kann und darf alles. Was viel wesentlicher wäre und was ich mir persönlich wünsche, ist eine neue Kunstökonomie, die nicht an den Kunstmarkt gebunden ist und die Hand in Hand mit einer fairen Kulturpolitik gekoppelt ist.

Was liest Du derzeit?
Ich lese immer mehrere Bücher parallel. Im Moment, « Gender Trouble » von Judith Butler, „SCUM Manifesto“ von Valerie Solanas und immer schlechte Krimis zum Einschlafen.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
“They say that all these forms denote an outworn language. They say everything must begin over again. They say that a great wind is sweeping the earth. They say that the sun is about to rise.”
Les Guérillères von Monique Wittig.

Vielen Dank für das Interview liebe Elodie, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Kunstprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
5 Fragen an KünstlerInnen:
Elodie Grethen, Künstlerin _Wien_Frankreich
Alle Fotos_Elodie Grethen
15.4.2021_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.