„Vielleicht kann die Krise unseren Sinn für Werte wieder wecken“ Jörn-Peter Budesheim_Bildender Künstler_Kassel/D 13.5.2021

Lieber Jörn-Peter, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?

Ich gehe einem Brotberuf nach, mit dem ich mein Künstlerdasein finanziere. Ich mache kein Homeoffice, in dieser Hinsicht hat sich also nicht sehr viel geändert. Ansonsten halte ich mich seit gut einem Jahr sehr streng an die Kontaktbeschränkungen. Darunter leidet natürlich (ich schreibe nur in Bezug auf meine Künstlerexistenz) vor allem der Austausch mit Kollegen.

Jörn-Peter Budesheim_Bildender Künstler

Ich engagiere mich in verschiedenen Gruppen. Ich bin Mitglied in der Kasseler Künstlergruppe Kunstbalkon (https://kunstbalkon.de/), gehöre zum Forum für ästhetische Praxis (https://www.aesthetische-perspektiven.de/), betreibe mit fünf weiteren Künstler:innen den Blog 8Argos (https://8argos.jimdofree.com/8argo/) und bin im Vorstand des documenta-Forums Kassel (https://documentaforum.de/)

Für die meisten dieser Gruppen gehören natürlich eigentlich der regelmäßige Austausch und Treffen zum Kern dessen, was man eigentlich macht. Doch die Treffen sind nun auf Zoom & Co verlegt. Das ist zwar für eine Zeit lang okay ist, aber natürlich kein vollwertiger Ersatz. Für die Künstlergruppe Kunstbalkon heißt das darüber hinaus, dass unser Ausstellungsbetrieb sehr stark eingeschränkt ist.

Meine eigentliche künstlerische Arbeit besteht im Wesentlichen aus Zeichnen. Mein Gefühl ist, dass ich seit Corona sogar noch mehr und intensiver zeichne als zuvor. Dass unser Leben einen Anfang und ein Ende hat, ist „thematisch“ (oder wie man es auch nennen will) öfter in den Arbeiten präsent. Insgesamt ist die ironische Dimension meiner Arbeit etwas in den Hintergrund getreten und die lyrische steht mehr im Vordergrund – wenn ich mich nicht in mir selbst irre.

Ich hoffe, dass in diesem Jahr die wichtige Ausstellung im Hugenottenhaus Kassel „Doppelzimmer“ vom 16. Juli bis 26. September 2021 über die Bühne gehen kann. Auch hier hängt natürlich alles an der zukünftigen Corona-Entwicklung. Dort werde ich (hoffentlich) mit der geschätzten Kollegin Kathrin Brömse Zeichnungen zeigen können. In den 24 Räume des Hauses zeigen im Sommer Zweiergruppen aus ganz Deutschland ihre Kunst > https://hugenottenhaus.com/

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?

Vertrauen und Solidarität. Vernunft. Ein Sinn für Poesie.

 

Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Kunst an sich zu?

Ich habe nicht die geringste Ahnung, ehrlich gesagt. Ich hoffe, dass Kunst eine Kraft gegen den Nihilismus ist. Unter Nihilismus verstehe ich die Idee, dass nichts einen Wert in sich selbst hat. Dass die Kunst hier eine Gegenkraft ist, wäre schön – ich würde aber nicht darauf wetten. Aber: vielleicht kann die Krise selbst unseren Sinn für Werte wieder wecken – wer weiß das schon. Manchmal lernt man die Dinge nämlich erst dann richtig zu schätzen, wenn sie einem fehlen.

Staunen, A4, Mischtechnik auf Papier, 2020 _ Jörn-Peter Budesheim

 

Was liest Du derzeit?

Vieles. Insbesondere lese ich intensiv in einem Buch, zu dem ich selbst einen kleinen Teil beitragen durfte, nämlich den Gedichtband von Jana Volkmann „Investitionsruinen“. Darin finden sich ca. zwei Dutzend Zeichnungen von mir. Es entstanden in der „Corona-zeit“ > https://janavolkmann.wordpress.com/2021/01/08/investitionsruinen

Ansonsten lese ich (neben anderem) einiges zu Beuys, der in diesem Jahr 100 geworden wäre. Das Buch „Joseph Beuys“ von Philip Ursprung scheint mir dabei sehr empfehlenswert zu sein.

 

Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?

„Was ihr lest keine Gedichte? Seid ihr wahnsinnig?“ (N.N.)

Vielen Dank für das Interview lieber Jörn-Peter, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Kunstprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute! 

5 Fragen an KünstlerInnen:

Jörn-Peter Budesheim_Bildender Künstler

… wurde 1960 in Marburg geboren. Er lebt und arbeitet als bildender Künstler in Kassel. In den letzten Jahren konzentriert sich seine künstlerische Arbeit nahezu ausschließlich auf die Zeichnung, in der Regel kleinere Werke auf Papier. Sein Thema ist der Mensch („Ein Zeichen sind wir, deutungslos.“ Hölderlin)

https://sites.google.com/view/budesheim

Foto_Andreas Maria Schäfer > 2019 in der Galerie 17QM, Marburg

14.4.2021_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.

https://literaturoutdoors.com

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