Lieber Christoph, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Ich versuche die gewohnte Tagesstruktur beizubehalten. Aufstehen, Brotjob, Erledigung der alltäglichen Dinge, den Rest des Tages teile ich zwischen Familie und Schreiben auf. Allerdings hat jeder Tag diesen unsäglichen C-19-Begleiter. Wir versuchen gesund zu bleiben. Diese Pest nervt, wir versuchen uns so viel Normalität wie möglich zu bewahren.

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Durchhalten, gesund bleiben, Normalität bewahren aber auch kritisch sein und nicht jede Nachricht bedenkenlos konsumieren. Wo wir gerade stehen, wissen wir nicht. Vielleicht ist der Wahnsinn hier bald überstanden, vielleicht stehen wir aber auch gerade erst am Anfang einer Katastrophe, die wir uns heute noch nicht vorstellen können.
Letztes Jahr habe ich im Dezember das Gedicht „Austernzeit“ geschrieben, das ich als analogen Weihnachtsgruß an befreundete Autorinnen und Autoren und Verleger verschickt habe. Der Text hat für mich in den letzten Monaten sehr an Bedeutung gewonnen. Er gibt eine zusammenfassende Antwort auf die Frage, was mir besonders wichtig ist.
Austernzeit
Es sei notwendig sich zurückzuziehen sich zu
Verschließen in einen finstereren raumlosen Ort
Dort abzuwarten in berührungsloser Kälte
Es ist ein Haus kein Zuhause Nur Träume Das ist zu wenig
Kostbar sind die Erinnerungen an das schöne Leben
Doch im Finstern eingeschlossen sind sie nichts wert
Es ist gut zu verstehen wer man ist
Es ist besser zu wissen wer man mit anderen ist
Die Zeit der Umarmungen ist nicht vorbei
Willst du das Licht sehen stell dich ans Fenster
Soll dein Herz weiter schlagen musst du furchtlos sein
Vor einem Aufbruch werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?
Es ist nicht mehr eine Frage „was wir machen wenn die Corona-Pest vorbei ist“ – Ich glaube sie wird nicht zu besiegen sein – wir müssen uns anpassen und langfristige, tragfähige Strategien entwickeln, die uns helfen zu überleben. Wir müssen weitere Pandemien verhindern und wir müssen uns um den Klimawandel kümmern … und das dringendst … und jeder hat eine eigene Nase, an die er sich jetzt fassen kann. Literatur / Kunst kann und darf einfach auch mal nur unterhaltsam sein, da ist nichts dran verkehrt. Literatur/ Kunst muss aber auch den gesalzenen Finger in Wunden legen dürfen. Sie muss und darf kritisch, respektlos und widerspenstig sein. Eine freie Literatur, eine kraftvolle Kunst ist einer der wichtigsten Stützpfeiler der Demokratie. Und sie ist auch Motor des Fortschritts. Der Mensch muss sich weiterentwickeln, wenn er fortbestehen will. Ich finde es anrührend und faszinierend wie der Mensch vor rd. vierzigtausend Jahren die Kunst erfunden hat (siehe Höhlenmalerei in den Höhlen von Almatira oder Chauvet-Pont-D’Arc) und damit quasi das Denken und die Kommunikation in die Welt kam. Es liegt an uns. Ich glaube, wir haben es noch in der Hand.
Was liest Du derzeit?
The Ontological Constant von Mark A. Murphy. Das ist ein Gedichtband, der in Englisch / Deutsch bei Moloko Print erschienen ist.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
„Alles geschieht langsam, beinahe gemächlich, und irgendwo weitab schlägt leise ein Herz. Ich begreife, dass es mein eigenes ist mit seinen letzten Schlägen auf dem Weg ins Tal.“
Das Zitat stammt aus dem Buch „Das Gesicht in der Tiefe der Strasse“ von Wolfgang Hermann, Otto Müller Verlag, S. 92
Vielen Dank!
Vielen Dank für das Interview lieber Christoph, viel Freude und Erfolg für Deine großartigen Literaturprojekte wie persönlich in diesen Tagen alles Gute!
Ich danke dir Walter.
5 Fragen an KünstlerInnen:
Christoph Kleinhubbert, Schriftsteller
https://www.nordpark-verlag.de/Kleinhubbert-alles-auf-einmal-gedichte.html
Foto_privat.
6.4.2021_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.