Liebe Monika, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Nicht viel anders als sonst, lieber Walter. Ich gehöre zur Hochrisikogruppe, bin seit 13 Monaten in mehr oder minder freiwilliger Abgeschiedenheit und unterbreche diese selten unter Einhaltung aller mir möglichen Vorsichtsmaßnahmen. Ich diszipliniere mich, versuche anzunehmen, was ich nicht ändern kann. Spätestens um 8 Uhr in der Früh sitze ich jeden Tag am Schreibtisch, schreibe, rezensiere, lektoriere. Nachmittags gehe ich oft hinaus, bin allein in der Natur, selten gemeinsam mit Freundinnen. Was mir wie allen anderen fehlt sind Impulse von außen, ist die Atmosphäre wirklicher Lesungen, Theateraufführungen und Konzerte, weil sie durch Online-Formate nicht ersetzbar ist. Aber ich tröste mich damit, dass wieder andere, unbeschwerte Zeiten kommen werden, in denen das Erleben von Kultur, persönliche Begegnungen, Umarmungen und Gespräche face-to-face wieder möglich sein werden.

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Ich kann nicht „für uns alle“, sondern nur für mich sprechen. Derzeit in erster Linie das Überleben von möglichst vielen Menschen, denn die Bedrohung Corona ist konkret. Das heißt Achtsamkeit: Abstand – Maske – Kontaktvermeidung – Hände waschen. Und ein funktionierendes Gesundheitssystem. Alles andere kommt an zweiter Stelle: Zusammenhalt, das Ringen um Gleichmut, Durchhalten, sachliches Abwägen. Dass ich meinen Mitbewohner*innen zuhöre, ein Lächeln schenke, Augenblicksglück. Dass ich mit Menschen in Kontakt bleibe per Telefon, Mail, auch über soziale Medien. Für mich sind zudem gute Kopfhörer wichtig. Denn wenn die Tochter mehrere Stunden am Tag nun statt an der Uni zu Hause Schlagwerk, der Mann Saxophon übt, kommt man schnell ans Ende von Geduld und Toleranz, wenn man zur gleichen Zeit an Texten arbeitet. Wichtig ist mir auch, das Ende der Pandemie in den Blick zu nehmen, wenn Begegnungen wieder möglich sein werden, ohne dass ich mich vor Ansteckungen fürchten muss. Und schleunigst müssten wir die Klimaprobleme gemeinsam angehen.
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?
Ich fürchte, wir werden weder einen gesellschaftlichen Aufbruch noch einen Neubeginn erleben, denn alle werden weiterwurschteln wie bisher. Natürlich gibt es Wünsche: dass wir mehr auf die Wahrung der Freiheit und der Staatsbürger*innenrechte achten und uns dafür einsetzen. Wesentlich wäre Solidarität, dass etwa die Corona-Schulden von allen geschultert werden je nach wirtschaftlicher Potenz und nicht wie so oft manche gleicher sind als andere. Und mehr Lohngerechtigkeit, endlich!
Persönlich stehe ich weder vor einem Aufbruch noch vor einem Neubeginn, sondern es geht um ein Weiterschreiben, künstlerische Kontinuität und mein Umsetzen von Ideen. Und ich bin neugierig, wie sich die Auseinandersetzung mit der derzeitigen Ausnahmesituation in der Kunst niederschlagen wird.
Was liest Du derzeit?
Jetzt und immer: Tageszeitungen, medizinische Fachliteratur und Lyrikbände, aktuell:
Klaus Anders: Séptimas. Gedichte (Edition Rugerup 2020)
Maria Stepanova: Der Körper kehrt wieder. Gedichte (Suhrkamp Verlag 2020)
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
.) Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. (Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, Artikel 1)
.) Survival is survival and not just a walk through the rain (Audre Lorde 1934-1992)
Vielen Dank für das Interview liebe Monika, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Literaturprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
5 Fragen an KünstlerInnen:
Monika Vasik, Schriftstellerin
Home – Homepage von Monika Vasik
Foto__privat
30.3.2021_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.