Liebe Siri, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Ich hatte das Glück, die letzten Wochen über einen einigermaßen normalen Probenalltag gelebt haben zu dürfen. Die Premiere ist zwar auf das Jahr 2022 verschoben, aber die Zeit während der Proben hat sich immerhin ein bisschen angefühlt, als wär alles wie früher. Jetzt ist erst mal wieder Pause; ich bin viel in der Heimat, verbringe Zeit mit meiner Mutter und meiner besten Freundin. Die hat grade einen keinen Welpen bekommen – das ist ein bisschen wie Therapie für mich. Dieser kleine Hund kriegt von den seltsamen Zeiten, in denen wir gerade leben, vermutlich gar nichts mit. Der ist einfach nur voller Lebensfreude, und das überträgt sich. Da kann man mal für einen Moment die große Ungewissheit der Welt abschalten.

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Zusammenarbeiten, und nicht gegeneinander. Einander zuhören. Für einander da sein. Und nicht die Spaltung zwischen den verschiedenen Gruppen durch Hass noch weiter vorantreiben. Ob Impfgegner oder -befürworter, Querdenker oder Idealist, wir wollen doch eigentlich alle dasselbe – die Rückkehr in den normalen Alltag. Da hilft Kommunikation besser als sich anfeinden – und gemeinsam nach realistischen Wegen suchen, diese Rückkehr möglich zu machen.
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei dem Theater/Schauspiel, der Kunst an sich zu?
Die Kunst ist ja nicht weg. Die ist immer noch da und ohne die ging’s nicht. Selbst ein Mensch, der sich selbst gar nicht als kreativ oder kunstinteressiert bezeichnen würde, schaut abends vermutlich Netflix, und bedenkt gar nicht, dass das eine Form von Kunst ist, der er sich da gerade widmet.
Was das Theater betrifft, ist es schwieriger – ich habe das Gefühl, dass das Theater nicht in Vergessenheit gerät, weil wir jetzt in diesem Ausnahmezustand leben, sondern dass es schon weit davor die gesellschaftliche Bedeutung verloren hat, die es irgendwann mal hatte. Die Lockdowns waren nur der Auslöser für die KünstlerInnen, das zu erkennen. Hätten die Menschen gerade gar keinen Zugriff mehr auf Kunst, also auch nicht auf Filme oder Musik, dann würden auch viel mehr Menschen für die Unabdingbarkeit der Kunst, für ihre nicht zu widerlegende Notwendigkeit, einstehen. Aber dank Internet und Fernseher haben wir auch jetzt noch einen künstlerischen Ausgleich, können uns bilden oder ablenken. Das Theater „braucht“ es dazu irgendwie nicht. Das ist eine harte Erkenntnis, aber für mich keine neue. Ich hoffe, nach dieser langen Durststrecke sind auch die nicht Kunstschaffenden irgendwann wieder hungrig auf das soziale Erlebnis Theater – mit anderen gemeinsam in einem Raum sitzen und die Einzigartigkeit und Echtheit des unmittelbaren Bühnenmoments wertschätzen. Der ist vielleicht nicht überlebenswichtig, aber durch keinen Film der Welt zu ersetzen.
Was liest Du derzeit?
„The First and Last Freedom“ von Jiddu Krishnamurti. Meistens irgendwo in der Sonne. Sehr inspirierend!
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
„There is no „right time“, there is just time and what you choose to do with it.“ -unbekannt
und, aus dem Buch, das ich gerade lese:
„The revolution is now, not tomorrow.“ -Krishnamurti
Vielen Dank für das Interview liebe Siri, viel Freude und Erfolg für Deine großartigen Schauspielprojekte wie persönlich in diesen Tagen alles Gute!
5 Fragen an KünstlerInnen:
Siri Wiedenbusch, Schauspielerin
Foto_Julia Windischbauer
28.4.2021_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.