„Am Theaterort wird Gemeinschaft geschaffen“ Clemens Janout, Schauspieler_Wien 26.4.2021

Lieber Clemens, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?

„Trotz großer Leidenschaft für all mein Tun, würde ich meinen Tagesablauf derzeit als herausfordernd beschreiben. Zum einen bin ich gerade im letzten Jahr meiner Schauspielausbildung an der Wiener Schauspielschule Krauss. Bald beginnen hier die Proben für die letzte gemeinsame Produktion – die Abschlussproduktion. Dieses Projekt hat es dieses Jahr in sich, denn kein Geringerer als der Starautor, Regisseur und Bühnenbildner Igor Bauersima wird eigens für uns als Abschlussjahrgang ein Stück schreiben und anschließend auch inszenieren: POST SCRIPTUM. Es handelt vom World Wide Web und wir werden auf der Bühne eine Art >Timeline< nachstellen. Besonders ist auch der Aufführungsort, denn der Name „Igor Bauersima“ und der Begriff „Uraufführung“ weckte große Neugier beim Schauspielhaus Wien, wo die Premiere nunmehr am 2. Juni 2021 stattfinden wird – voraussichtlich.

Zum anderen stecke ich auch in den Vorbereitungen für anderweitige Projekte. Eines davon ist BORN TO FAKE – ebenfalls eine Uraufführung. Für den Text und die Regie zeichnet sich Josef Maria Krasanovsky verantwortlich. Im Mittelpunkt steht das Leben von dem berühmt-berüchtigten deutschen TV-Fälscher Michael Born. Die Premiere findet voraussichtlich am 16. Mai 2021 im Dom im Berg in Graz statt. Weiters werde ich im Sommer in meinem Heimatort Kärnten meine zweite eigene Theaterproduktion aufführen. Mehr Informationen dazu wird es in Kürze geben. Es gestaltet sich gerade also alles andere als einfach, alle Arbeiten unter einen Hut zu kriegen und trotzdem noch genügend Zeit für sich selbst zu haben, um einmal abzuschalten. Gefühlt hetze ich von der einen Probe zum nächsten Telefongespräch zur nächsten Zoom-Konferenz und so weiter und so fort. Ich kann und möchte mich aber wirklich nicht beklagen, denn andere Kolleg*innen haben nicht so viel Glück, derzeit beruflich so aktiv zu sein. Also freue ich mich auch sehr über die vielen Chancen, die sich gerade auftun.

Clemens Janout, Schauspeler

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?

Es ist für uns alle wichtig, jetzt besonders auf unsere psychische Gesundheit und jene unserer Mitmenschen zu achten. Ich glaube, dass dieser Aspekt in jeglichen Corona-Debatten viel zu selten aufgegriffen wird. Denn neben einem Bewusstsein für die Pandemie und dem daraus resultierenden körperlichen Abstand zu anderen Individuen, kann sich schnell auch eine gefährliche >psychische Distanz< entwickeln. Es wäre absurd, den Versuch zu wagen, wegzudiskutieren, dass diese >pandemische Zeit< ohne psychische Spuren an uns vorübergeht. Ich schätze mich enorm glücklich, in einem sozialen Umfeld geborgen zu sein, welches mich auffängt, wenn es mir einmal schlecht geht und mir Trost spendet. Doch wir dürfen nicht vergessen, wie viele Menschen heutzutage alleine leben, in oder wegen der Pandemie eine Trennung durchgemacht haben, aufgrund der derzeitigen Situation Ängste entwickeln, die es ihnen nicht mehr möglich machen, einen Fuß vor die Türe zu setzen… Trotz der Wichtigkeit, in dieser Pandemie im Interesse unser aller (körperlichen) Gesundheit zu handeln, erachte ich es für essentiell, sich >neue< Gedanken zu machen: Gibt es eine Möglichkeit, Freund*innen zu treffen und trotzdem sicher dabei zu agieren? Ja, es gibt sie! Indem beispielsweise hier in Wien eine der Teststraßen genutzt und dann eine freundschaftliche Zusammenkunft veranstaltet wird, bei der alle eben kurz davor getestet wurden. Spätestens jetzt, ein Jahr nachdem Corona unser aller Leben auf den Kopf gestellt hat, wollen vor allem junge Menschen ihr Leben wieder zurück. Ich bin also für Aufklärung, neue Perspektiven und Selbstverantwortung! Wir dürfen außerdem nicht auf diejenigen vergessen, die sich bereits seit Aufkommen des digitalen Zeitalters mehr und mehr in eine absolute Einsamkeit begeben haben: nur mehr vor den Bildschirmen sitzen und das Leben wie aus einem Käfig beobachten. Wenn man bedenkt, dass dieser Trend des körperlichen Distanzierens bereits innerhalb der letzten Jahre schon bedenkliche Auswüchse erreicht hat, muss man sagen, dass er jetzt an einem Höhepunkt angekommen ist, ungeachtet der Gründe für diese Entwicklung.

Vor einem Aufbruch werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei dem Theater/Schauspiel, der Kunst an sich zu?

Wir müssen Wege finden, um Sicherheiten zu schaffen und trotzdem unsere geliebte >Realität< wieder zurückzubekommen. Für die Kunst generell würde ich mir wünschen, dass sie seitens der Politik endlich die nötige Wertschätzung und Notwendigkeit bekommt, die sie auch verdient. Ich denke, dass es für unsere Gesellschaft gesamtheitlich von großer Bedeutung ist, neue Impulse durch die Kunst zu erhalten. Man blicke beispielsweise zurück auf die Anfänge des Theaters: Oftmals wurde das damalige alltägliche ortsgebundene Geschehen verarbeitet, indem Gemeinschaft am Theaterort geschaffen wurde. Folglich stimmt es mich traurig und wütend, dass trotz ausgefeilter und funktionierender Sicherheitskonzepte, Kunsträume in den letzten Wochen noch immer keine Öffnungsschritte erfahren haben – der Handel aber vor geraumer Zeit bereits wieder seine Pforten öffnen durfte. Es ist mir unbegreiflich, wie es möglich ist, dass die >Magie< der Kunst in dieser, für uns alle harten Zeit derartig unterschätzt wird. Denn ich bin überzeugt davon, dass die (Bühnen-)Kunst nicht nur einfach einmal vom tristen Alltag ablenken, sondern auch neue Perspektiven schaffen kann, die uns alle weiterbringen.

Was liest Du derzeit?

Ich lese derzeit hauptsächlich Werke, mit denen ich beruflich zu tun habe. Darunter befinden sich unter anderem >Egmont< von Johann Wolfang von Goethe, verschiedenste Gedichte von Else Lasker-Schüler und Rainer Maria Rilke,  >Zirkus Sardam< von Daniil Charms oder >dosenfleisch< von Ferdinand Schmalz.

Welches Zitat, Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?

„dass wir erst dann zu leben anfangen, wenn wir aufhören zu funktionieren.“ — Aus >dosenfleisch< von Ferdinand Schmalz

Clemens Janout, Schauspeler

Vielen Dank für das Interview lieber Clemens, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Schauspielprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!

5 Fragen an KünstlerInnen:

Clemens Janout, Schauspieler

CLEMENS JANOUT

Fotos_Florentina Amon.

22.3..2021_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.

https://literaturoutdoors.com

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