Liebe Manuela, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Mein Tagesablauf hat sich nicht verändert, da ich schon seit mehreren Jahren im Home-Office am PC arbeite. Was weggefallen ist, sind die Ausflüge in die Stadt, zum Treffen mit anderen AutorInnen und FreundInnen, mit der Familie oder zum Bummeln. Das passiert jetzt alles online oder telefonisch und (leider) gewöhnt man sich auch daran sehr schnell.

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Geduld. Ich bin selbst ein eher ungeduldiger Mensch aber ich habe in den letzten Jahren Geduld lernen müssen, mit mir und meiner gesundheitlichen und beruflichen Situation. Ich denke, dass weder die Suche nach geheimnisvollen Hintergründen der Pandemie noch offener Ärger etwas an der Situation ändern. Für mich ist das ein rein biologischer Vorfall, mit so etwas mussten Menschen schon immer leben. Wir sind es nicht unbedingt gewöhnt, uns einzuschränken, vielleicht haben viele von uns auch ein bisschen in einer Allmachtsphantasie gelebt (nichts kann mir passieren und das Leben dauert mindestens 85 Jahre). Ich denke allerdings, dass für viele Menschen diese „Unverwundbarkeit“ nie existiert hat oder sie ihnen schon eher genommen wurde, aufgrund von Krankheiten oder Schicksalsschlägen bzw. einfach, weil sie nicht privilegiert geboren wurden. Damit möchte ich die Situation nicht verharmlosen oder die vielen Menschen, deren Existenz durch Corona bedroht ist, zu mehr Gleichmut aufrufen. Jeder ist von dieser Katastrophe anders betroffen und ich denke, wir alle müssen jetzt solidarisch sein und gemeinsam durchhalten.
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?
Ehrlich gesagt glaube ich persönlich nicht an einen Aufbruch oder Neubeginn, zumindest nicht im Alltag. Ich denke, dass wir sehr schnell in alte Gewohnheiten zurückfallen werden, sobald die Situation sich wieder entspannt hat. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, er scheut Veränderungen. Die Rolle der Kunst und der Literatur könnte sein, diese Zeit zu „konservieren“, so dass sie nicht allzu schnell in Vergessenheit gerät. Auf uns warten ja noch andere drängende Probleme – der Klimawandel zum Beispiel bedroht uns nach wie vor, nur steht er gerade nicht im Mittelpunkt des Interesses. Ich würde mir wünschen, dass wir als Lehre aus dieser Zeit unter anderem mehr Wertschätzung für den Pflege- und Krankenhausbereich zurückbehalten. Die Menschen, die dort arbeiten, leisten gerade Großes und das sollte nicht direkt wieder in Vergessenheit geraten, sobald die Pandemie vorbei ist. Vielleicht wird es aber auch nie wieder eine Zeit ohne die Bedrohung durch Viren geben, weil wir das Gleichgewicht unseres Planeten nachhaltig aus dem Gleichgewicht gebracht haben? Aber diese Dinge sind sehr komplex und ich wage nicht, sie zu beurteilen. Was die Medizin betrifft, hat sie sicher profitiert von der Turboforschung zu Virus und Impfstoff. Ich las, dass man vergleichbare Verfahren zum Beispiel auch für die Krebstherapie nutzen könnte. Das lässt hoffen, auch wenn der Preis für diesen wissenschaftlichen Fortschritt hoch ist.
Was liest Du derzeit?
Ich lese gerade mehrere Bücher über Stoizismus, weil ich glaube, dass mehr Gelassenheit sehr hilfreich sein kann in allen Bereichen des Lebens. Außerdem lese ich fast täglich ein paar Gedichte zeitgenössischer Autoren. Aktuell habe ich auch noch ein Buch über Focusing auf dem Tisch liegen aber das will nicht nur gelesen sondern auch umgesetzt werden und da fehlt mir gerade – die Geduld.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
Da fallen mir natürlich viele Dinge ein aber ich entscheide mich für ein Gedicht von Hilde Domin, welches mir gerade jetzt passend erscheint:
Nicht müde werden
sondern dem Wunder
leise
wie einem Vogel
die Hand hinhalten.
Vielen Dank für das Interview liebe Manuela, viel Freude und Erfolg für Deine großartigen Literaturprojekte wie persönlich in diesen Tagen alles Gute!
5 Fragen an KünstlerInnen:
Manuela Bibrach, Schriftstellerin
Manuela Bibrach – Freie Autorin – manuela-bibrach-autorins Webseite! (jimdofree.com)
Foto_privat.
20.2.2021_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.
Liebe Manuela,das Interview mit Dir war für mich absolut wohltuend und regelrecht beruhigend,was den alltäglichen Umgang mit der Pandemie angeht.
Kluge,umsetzbare Herangehensweisen,immer Mensch und Umwelt im Blick,das sollte doch wirklich machbar sein.
Danke für Deine Worte;Deine Uta.
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Vielen Dank, liebe Manuela für deine klugen, ermutigenden Worte. Sie erinnern mich wieder an das Wesentliche im Leben: unsere Mitmenschlichkeit.
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Ein sehr guter Beitrag von Manuela Bibrach, einer Autorenkollegin! DANKE!
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So viel Wahrheit und so schön auf den Punkt gebracht. Danke für die schönen Worte.
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Manuela Bibrachs Lyrik ist im Wortsinn hervorragend. Sie folgt nicht den Moden und Attitüden der meisten Dichtung, die heute als zeitgenössisch gilt – und ist dennoch modern. Ihre Autorin spricht eine authentische Sprache. Die Metaphern und Bilder sind originell, zuweilen überraschend.
Kollegin Bibrach ist stilsicher, hat inhaltlichen Tiefgang und geht souverän mit Rhythmus und Metrum um. Ich habe Ihre Lyrik eher zufällig entdeckt und bin gespannt auf ihren ersten eigenständigen Gedichtband!
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Liebe Manuela,
vielen lieben Dank, dass ich das Interview lesen durfte.
Respekt für deinen Weg!
Deine Worte schenken mir Kraft!
Alles Gute weiterhin für dich!
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