
Ich war tief getroffen vom Tod von Arik Brauer, er war für mich der Inbegriff der Lebensfreude und der unerschöpflichen Energie, bis ins hohe Alter (Ein Sinnbild der Dynamik ist Arik am Fahrrad, ob unterwegs nach Paris, Nordafrika oder auf der Donauinsel – jedenfalls stets unterwegs). Arik Brauer war mir so vertraut und ich kann nicht ergründen, weshalb genau.



Ich habe anlässlich seines Todes einige Dokumentationen und Interviews mit ihm angeschaut und es drängte sich mir stets das Wort „Vertrautheit“ auf. Ich hab Arik Brauer 2x in natura gesehen, das erste Mal bei der Teilnahme an der Aufnahmeprüfung a.d. Akademie der Bildenden Künste 1996 im Semper Depot und bei einer Einladung im Jüdischen Museum anlässlich seines 90. Geburtstags, wo wir auch die Gelegenheit hatten ein paar Worte zu wechseln.



DAS GLÜCK IST AUF BESUCH DAS GLÜCK EIN FLÜCHTIGER UNERWARTETER GAST LEISTET NIE GESELLSCHAFT GALOPPIERT VORÜBER AN DER LEISTUNGSGESELLSCHAFT ES KANN SICH’S AUCH LEISTEN UNBEMERKT IM AUGENBLICK WIRD’S ERST ERKANNT WENN’S IST SCHON VORBEI. @Lolalindenbaum


Er ließ sich trotz schicksalhafter Kindheit, die sorglos begann und durch den Nationalsozialismus und die grausame Ermordung des Vaters in der Shoah abrupt und schmerzlich beendet wurde, nicht brechen und er ließ sich seines Lebenswillens- und seiner Lebensfreude nicht berauben. Was aus seinen Interviews hervorgeht, ist der ihn begleitende Gemütszustand der Freude –der Freude am Leben, Freude am Sein, Freude an der Familie und der Freude am Malen.



Obwohl seine Bilder inhaltlich pathetisch anmuten und oft mythologisch mit Motiven und Themen aus dem Alten Testament aufgeladen sind, macht er die Hermeneutik mittels bunter Farben für den Betrachter verdaulich und somit aufnehmbar:
„Die Kunst muss und darf alles, und das seit jeher. Sie muss aufrütteln und erschrecken, muss aber auch genießbar sein und den Menschen streicheln, einlullen und ihm Gutes tun.“
Brauer der Weltbürger, Cosmopolit und Geschichtenerzähler.


Arik Brauer hatte viele Identitäten, er war so vielschichtig und farbenfroh wie seine Bilder. Er wollte sich nicht auf eine Rolle festlegen und sich nicht von einem Genre okkupieren lassen. Als der Song „Köpferl im Sand“ als Grundstein des Austro-Pop herauskam, wollte er sich nicht von der Pop-Maschinerie vereinnahmen lassen, er wollte nach wie vor Zeit zum Malen und für seine Familie haben.


Und er wollte malen, wie es ihm entsprach und nicht wie es die Avantgarde für opportun befand.
Arik Brauer hat sich künstlerisch genauso wenig in eine Schiene drängen lassen, wie politisch (mit Ausnahme der kommunistischen Jugendbewegung, was er sich zeitlebens selbst vorgeworfen hat).








Er ließ sich in politischen Dingen nicht in eine Schublade pressen und scheute sich nicht auch dem linken Mainstream zu widersprechen. Er habe im Laufe seines Lebens gelernt, alles zu hinterfragen und wurde skeptisch, wenn alle in eine gewisse Richtung sprangen. In diesem Zusammenhang meinte er dazu in einem Interview mit dem Standard 2019:
„Ich habe gelernt, dass jede Strömung nur eine Teilwahrheit in sich trägt. In meinem Weltbild ist das etwas ganz Grundlegendes. Man muss alles hinterfragen, vor allem die Mainstreams“



Brauer malte und sagte, was er für richtig hielt. Und er hat es, so wie er mehrfach betonte, niemals bereut, dass er ein Leben außerhalb des Mainstreams verbracht hat.

Nicht zuletzt für seine erfrischende Ehrlichkeit zu sich selbst und der Welt gegenüber habe ich ihn bewundert und ich wollte dieses Gefühl der Wertschätzung bleibend im Außen manifestieren. Das kann ich am besten mit Bildern- was gemalt ist, bleibt: Ich lege einen Teil von mir auf die Leinwand, doch obwohl ich dieses Ich-Fragment loslasse, bleibt es mir.



Die Transformation des Inneren auf die Leinwand beruhigt und erleichtert mich, es entlastet mein Wesen und meine Gedankenspirale scheint sich dadurch langsamer zu drehen. Ich habe das Gefühl, ich kann so mein Leben ein Stück weit entwirren.Es ist für mich, als hätte ich etwas Unaussprechliches ausgesprochen.




„Ein Großer geht und bleibt“. Das Thema „Wertschätzung“ wird mit einem dynamischen In-sich- Motiv zum Ausdruck gebracht. Ich male, wie der Maler selbst gemalt wird. Und er ist ein Grosser. Er geht und bleibt.


Lola Lindenbaum ,Künstlerin _Station bei Arik Brauer, Wien_Ottakring_Kindheits-, Jugendhaus des Universalkünstlers Arik Brauer (1929 – 2021)
http://www.lolalindenbaum.com/de/
Alle Bilder/Texte_ Lola Lindenbaum
Style/Requisite_Lola Lindenbaum

Alle Fotos_Walter Pobaschnig _ Kindheits-, Jugendhaus von Arik Brauer_Wien, Ottakring.
Idee&Regie_Lola Lindenbaum und Walter Pobaschnig
Wien_4.2.2021