„Die Logik von Kunst und Literatur sind zentral für eine Gesellschaft“ Donat Blum, Schriftsteller_ Zürich_9.12.2020

Lieber Donat, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?

Ich reise nicht mehr. Das ist der grösste Unterschied zum Davor, das erstaunlich weit in die Vergangenheit gerückt ist. Ich reise nicht mehr, das heisst, ich bin zum ersten Mal, seit ich professionell schreibe, mit örtlicher Konstanz konfrontiert. Etwas, wovor ich mich eigentlich fürchte. Weil ich Konstanz bisher immer irgendwie mit Stillstand gleichgesetzt habe. Mein Tagesablauf sieht also so aus, dass ich damit beschäftigt bin, neue Muster zu erlernen und ihre Tauglichkeit für mein Schreiben zu überprüfen. So arbeite ich jetzt zum Beispiel zum ersten Mal in einem Atelier an meiner Prosa. An den Tagen, die ich nich tim Atelier sitze und zu schreiben versuche plane ich online Veranstaltungen, verfasse Auftragstexte beispielsweise über „Ambivalenzen“ und bereit den Release der vierten Ausgabe von GLITTER – die Gala der Literaturzeitschriften vor.

Donat Blum, Schriftsteller

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?

Die Ohnmacht akzeptieren, die eigentlich eine Grundkonstante unserer Weltwahrnehmung ist, sich jetzt mit Corona aber zugespitzt hat und unausweichbar geworden ist. Aber dann nicht in der Lähmung verharren, sondern die Ohnmacht akzeptieren, die Chance darin suchen und uns so Selbstermächtigen.

Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?

Da mache ich mir wenig Illusionen. Sobald die Pandemie unter Kontrolle ist, gilt wieder kapitalistisches Business as usual. Eine Gefahr könnte darin liegen, dass wir als Gesellschaft einiges an Fertigkeit verloren haben werden, wie beispielsweise Kunst geschaffen und wahrgenommen werden kann. Dass alles vom Konsum, der unsere einzige von der Regierung erlaubte Freizeitbeschäftigung während diesem zweiten Lock-Down ist, überschattet wird. Aber das gibt uns auch eine Aufgabe: Wir müssen unseren eigene Blick schärfen, warum eine nicht-konsumorientierte Logik, die Logik von Kunst und Literatur, zentral sind für eine Gesellschaft. Und das auch vermitteln. Beispielsweise die Vorzüge von Langsamkeit. Die Vorzüge von Ineffizienz. Von Chaos. Von Ambivalenzen.

Was liest Du derzeit?

News. Viel zu viele News. Noch immer und obwohl ich es eigentlich besser weiss. Dazwischen aber auch „Die Sommer“ von Ronya Othmann. „Aus der Zuckerfabrik“ von Dorothee Elmiger und „1000 Serpentinen Angst“ von Olivia Wenzel.

Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?

Einge Zeilen aus einem Gedicht von Ozan Zakariya Keskinkılıç, das mit der neuen GLITTER im Dezember erscheinen wird.

«bisschen netflixen. ist schon spät da draußen. und kalt zwischen den folgen. verwebt sich ein arm in den anderen. dein satz klammert sich an die zunge. das wird nicht nochmal passieren. passiert nochmal. und nochmal.»

Vielen Dank für das Interview lieber Donat, viel Freude und Erfolg für Deine großartigen Literaturprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!

5 Fragen an KünstlerInnen:

Donat Blum, Schriftsteller

donatblum.ch – Donat Blum, geboren 1986 in Schaffhausen, hat am Schweizerischen und Deutschen Literaturinstitut studiert. Er schreibt Prosa und pendelt zwischen Biel, Zürich und Berlin.

Foto_Marvin Zilm

26.11.2020_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.

https://literaturoutdoors.com

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