Lieber Stefan, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Da ich nicht von der Kunst alleine lebe, hat sich diesbezüglich nicht soviel verändert. Abends ist Zeit für die Kunst, tagsüber wird unterrichtet. Dies hat sich zwar verändert, ist hybrid geworden, doch ändert dies den Ablauf des Tages nur marginal.
Es ändern sich die sozialen Kontakte, die Anregungen. Die Kunst, die bereichert, anregt, anstößt, fehlt. Wann war ich zuletzt im Kino und hab geweint? Wann zuletzt im Theater und hab gelacht? Wann zuletzt in einem Konzert?

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Wir müssen als Menschen bestehen. Wir müssen achten. Wir müssen gemeinsam.
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?
Das Erinnern an die Tragödien, welche sich vor und in den Krankenhäusern abgespielt haben, die Bilder von Leichen, welche mit LKWs abtransportiert worden, Beerdigungen, die wortwörtlich in alle Stille stattgefunden haben, wird die Kunst und Literatur als Aufgabe haben.
Viele Künstler werden einen langen Atem brauchen, Einnahmequellen versiegt. Doch wiederkommen wird die Lust an der Kunst, wir werden sie anders sehen, weniger selbstverständlich. Dankbarer. Wir, die wir davongekommen sein werden.
Was liest Du derzeit?
Ich lese immer Mayröcker. Ein Gedicht oder zwei am Tag. Es geht nicht anders. Es können auch mehr sein. Sicher. Aber ohne nicht. Dies ist nicht alles, natürlich. Viele Bücher liegen auf dem Schreibtisch, auch Hannah Arendt, „Vita activa“. Vielleicht unzeitgemäß. Vielleicht.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
„Die Geschichte des Menschen lässt sich als endloser Wettlauf mit der Zeit beschreiben.“ Paul Virilio, Revolutionen der Geschwindigkeit
Vielen Dank für das Interview lieber Stefan, viel Freude und Erfolg für Deine großartigen Literaturprojekte wie persönlich in diesen Tagen alles Gute!
5 Fragen an KünstlerInnen:
Stefan Heyer_Schriftsteller
Foto_privat
7.12.2020_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.