Liebe Verena, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Im Prinzip nicht sehr viel anders wie vor der Pandemie. Vormittags schaue ich, dass ich organisatorische Dinge fertigbekomme, sodass ich nachmittags Zeit habe für Praktisches oder meine Arbeit im Atelier. Am Wochenende fehlen mir allerdings Kneipenbesuche, Ausgehen oder Konzerte schon sehr.

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Einigermaßen einen Fokus auf die eigene Arbeit bewahren, für Gesundheit sorgen und in regelmäßigen Abständen offline gehen. Gerade ist im Prinzip die perfekte Zeit um unabgelenkt zu arbeiten und sich auf eine Sache/Projekt etc. zu konzentrieren. Dennoch scheint mir, dass die verschiedenen Diskussionen um die Pandemie und deren Einschränkungen selbst einen viel zu großen Anteil einnehmen und den Platz für andere,
eigentlich wichtigere Themen – u.a. die Klimakrise – wegnehmen. Die Pandemie ist keine Auszeit an sich, es ist zwar eine ungewöhnliche Zeit, die Zeit bleibt dadurch aber nicht stehen.

Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und
persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt
dabei der Kunst an sich zu?
Es liegen derzeit sicher viele Spannungen in der Luft, manchmal hat man das Gefühl es herrscht die Ruhe vor dem Sturm, dann wiederum meint man wir befinden uns schon mittendrin. Ob es ein Aufbruch oder ein Neubeginn wird – da bin ich mir bei beidem noch nicht sicher. Es gibt eine Menge abstrakte, ungreifbare Problematiken, die deswegen so viele Menschen nicht wahrhaben, da sie nicht wirklich sichtbar sind. Ich denke eine Facette der Kunst ist es, diese zu visualisieren und zu konkretisieren und die nötigen Bilder, Klänge etc. zu schaffen, damit uns vieles greif- und nahbarer wird. Ich versuche daher Zeichen und Gefundenes der Alltagswelt in meine Arbeit zu integrieren, um Ansatz- und Referenzpunkte herzustellen.


Was liest Du derzeit?
Prinzipiell bin ich keine große Leseratte, lese aber gerade Fachtexte zur Appropriation Art und Barbara Kruger, habe ein Buch von Michel Houellebecq und Christa Wolf angefangen


Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
Ein Zitat aus einem ZEIT-Artikel von 2018 zur Klimakrise: „Wer sich für das Richtige einsetzt, tut das nicht, weil er glaubt, es wird funktionieren. Er tut es, weil es das Richtige ist. Ethisches Handeln muss nicht skalierbar sein um ethisch zu sein.“ (Tobias Haberkorn: Die Sintflut kommt, 4.11.2018).

Vielen Dank für das Interview liebe Verena, viel Freude und Erfolg für Deine großartigen Kunstprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
5 Fragen an KünstlerInnen
Verena Kandler_Künstlerin
Alle Werke im Beitrag_Verena Kandler _ „Sitz oder Spring“ 2020, „Haltungsform“ 2020, „Plastic Neptune“ 2019, „Unser Erbe“ 2020, „#boobssexy“ 2019, Portrait 2019, „Hundemeute“ 2020
Alle Werke_Fotos_Verena Kandler_privat.
28.11.2020_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.