„Eine sehr große Freundschaft“ Klaus Demus zum 100.Geburtag von Paul Celan_Wien 22.11.2020

Ich lernte Paul Celan (Dichter, 1920*Czernowitz 1970+Paris) erst gegen Ende seines Aufenthaltes in Wien kennen (Anm.1947/48). Ingeborg Bachmann vermittelte dies. Meine Frau Nanni (Anna Demus, geb.Maier, Millstatt, Kärnten) war mit Ingeborg Bachmann befreundet. Sie gingen gemeinsam ins Gymnasium in Klagenfurt. Wir trafen uns mit Paul Celan im Cafe Landtmann. Das Interesse für Literatur und Kunst verband uns.

Klaus Demus, Kunsthistoriker; Dichter _ Wien

Er schrieb mir dann aus Paris eine Korrespondenzarte und daraus entstand ein Briefwechsel. Ich hatte daraufhin als Kunsthistoriker ein Stipendium (Schwerpunkt: Moderne Kunst) in Paris und war ein Jahr dort. Celan vermittelte mir ein Hotel. Da begann unsere Freundschaft. Eine sehr große Freundschaft. Die dann auch seine Frau Gisèle Lestrange (1927 -1991), Malerin/Grafikerin, und meine Frau Nanni, Pädagogin, einschloss. Es gab einen regelmäßigen brieflichen Austausch und Besuche.

Wir verbrachten in Paris viel Zeit miteinander. Trafen uns meist täglich. Das Leben war für ihn sehr schwierig als Dichter. Er lebte von Nachhilfestunden, jeder Tag war eine Herausforderung an Perspektive und Bewältigung.

Wir alle rangen mit Zeit und Kunst. Aber wir hatten uns. Ein Band. Es war viel.

Er hat nie über den Tod seiner Eltern während des Zweiten Weltkrieges gesprochen. Seine Mutter wurde ermordet, sein Vater starb an Krankheit im Arbeitslager.

Er selbst war jahrelang als Zwangsarbeiter interniert. Es gab dann eine Selektion mit Namensaufruf. Celan wusste, diese Selektion würde auch ihn treffen. Er erinnerte sich an die jüdische Mystik und murmelte einen Vers daraus, der Unsichtbarkeit verhieße. Er „schwindelte“ sich, im Vers vertiefend, auf die rettende Seite. Da stimmte dann allerdings die Selektionszahl nicht. Alle mussten wieder zurück. Doch es klappte für Celan noch einmal. Er überlebte diese Selektion. Das war das Einzige, das er persönlich über die Zeit der Shoa erzählte.

Verse, die Unsichtbarkeit verheißen (sollen) – das war wohl auch seine Dichtung.

Gisèle gab mir Nachricht aus Paris vom Tod Ihres Mannes. Daraufhin fuhr ich nach Paris. Es hatte länger gedauert die Identität der Leiche festzustellen. Ich war mit Gisèle beim Begräbnis. Wir waren die Einzigen dort. Nur seine Frau und Ich. Keine Geistlichen. Es war ein kleiner Friedhof etwas abseits von Paris. Ich blieb dann noch zwei Tage in Paris und musste dann zurück nach Wien zu meiner Arbeitsstelle als Kunsthistoriker.

Seine Gedichte kamen einfach aus ihm heraus. Ein Strom und ein Schmerz.

Klaus Demus, Kunsthistoriker, Dichter

Klaus Demus, Kunsthistoriker, Dichter_Wien.

Interview_Klaus Demus_Wien 9_2020

Alle Fotos_Video_Walter Pobaschnig

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