Liebe Lisa, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Mir ist der Tag immer noch zu kurz, um ehrlich zu sein, viel hat sich nicht geändert.
Aber ich habe angefangen alltägliche Situationen bewusst zu genießen. Den Kaffeegeruch, bevor ich ihn trinke. Die Seifenblasen auf meiner Hand, wenn ich sie wasche. Die Ruhe auf meinem Balkon, die nie still ist.

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Nicht auf das zu schauen, was -nicht- geht, sondern aktiv voraus steuern und das Ruder nicht aus der Hand lassen. Wir sind selbst verantwortlich wie wir auf äußere Umstände reagieren, ob wir uns daran klammern, was wir hatten oder ob wir den Schalter umlegen und anfangen umzudenken.
Was wir jetzt lernen können, ist sparsam sein. Wertschätzen, was man hat. Augen aufmachen und uns mit Themen konfrontieren, zu denen wir gerne keine Zeit haben. Uns selbst gut tun.


Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei dem Theater, Schauspiel, der Kunst an sich zu?
Ich bin auch jemand, der alte Traditionen liebt, keine Frage. Ich entwickle meine Fotos analog und klebe sie mit Fotoecken in ein Album. Aber das ist privat, da kann ich mich dafür entscheiden, nicht mit der Zeit zu gehen.
Kunst allerdings muss nach vorne streben, vorausdenken, die Gesellschaft einbinden. Das Theater versucht sich seit Jahren über Wasser zu halten. Vielleicht sind wir an dem Punkt angelangt, wo es gezwungen wird zu handeln und nicht nur darauf zu hoffen, dass „sich alles wieder einpendelt“. Ich glaube daran, dass sich Kunst vermischen muss. Vielleicht sehen wir irgendwann einen halben Film, dessen Geschichte im Theater zu Ende erzählt wird, während MalerInnen, FotografInnen im Foyer themenbezogen ausstellen und anschließend gibt es ein Konzert. Ich glaube der Weg, den wir einschlagen müssen, ist ein gemeinsamer.


Was liest Du derzeit?
Omar Khir Alanam – Auf der Reise im Dazwischen

Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
„Ich denke, wir machen kurzen Prozeß mit den Gardinen oben im Saal und schneiden sie etwas ab oder schließen wenigstens die Fenster; es wird ohnehin bald stürmisch genug werden.“ (Effi Briest, T. Fontane)
Vielen Dank für das Interview liebe Lisa, viel Freude und Erfolg für Deine großartigen Schauspielprojekte wie persönlich in diesen Tagen alles Gute!
5 Fragen an KünstlerInnen
Lisa Fertner_Schauspielerin
http://lisa.fertner.com/de/home.html
Alle Fotos_Walter Pobaschnig _ Hotel Regina_Wien 2.11.2020.
10.10.2020_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.