„Was wären wir alle die letzten Wochen ohne gute Bücher, Filme oder Musik gewesen?“ Sophia Julia Schützinger_ Schauspielerin_München 25.8.2020

Liebe Sophia Julia, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?

Definitiv strukturierter. Während einer gewöhnlichen Spielzeit habe ich im Grunde für nichts Zeit. Meine Tage und Wochen sind natürlich normalerweise von Proben, Vorstellungen, Auditions und meinem Studium bestimmt. Persönliche oder berufliche Projekte werden dabei meist auf die lange Bank geschoben, mein Leben folgt dabei keinem bestimmten persönlichen Rhythmus, freie Zeit gibt es kaum. Der Beruf steht über allem. In Zeiten wie diesen, in einer solchen Krise, hat man ja erzwungenermaßen mehr freie Zeit. Wenn ich die nicht strukturieren würde und meine Pläne und Projekte priorisieren und detailliert ausarbeiten würde, würde ich glaube ich emotional in ein Loch fallen und an meinen Träumen, sowie meiner Zukunft zweifeln. Ich brauche meine Arbeit und kann so, wenn alles wieder in seine gewohnten Bahnen zurückkehrt, endlich meine schon lang geplanten Projekte in die Tat umsetzen. Momentan stehe ich jeden Tag morgens um dieselbe Uhrzeit auf, verwirkliche für einige Stunden ein neues literarisches Projekt, nehme dann an Online-Meetings für mein Studium teil und bereite neue Texte für neue Auditions vor. Außerdem arbeite ich viel an und mit meiner Stimme, gesanglich, sowie als Sprecherin und versuche meine Leistungen zu optimieren. Familie und Freunde dürfen dabei auch nicht zu kurz kommen, wenn auch meist nur auf Distanz, zum Beispiel über einen Videoanruf.

 

Sophia Julia Schützinger

 

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?

In erster Linie, die Ruhe zu bewahren. Eine gewisse Vorsicht, Wachsamkeit und Rücksicht sind zweifellos von großer Bedeutung. Panik bringt uns alle aber nicht ans Ziel. Ich denke, es ist einfach wichtig, sich die aktuelle Situation bewusst zu machen und für sich selbst einen geeigneten Weg zu finden, damit umzugehen. Vielleicht hilft uns diese Entschleunigung, wieder etwas mehr zu uns selbst zu finden, zu erkennen, wer und was uns im Leben wirklich glücklich macht und wie wir unser Leben nach der Krise weiter fortsetzen wollen. Liebe und Solidarität stehen hierbei ganz oben auf der Liste.

 

 

Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei dem Theater, dem Schauspiel, der Kunst an sich zu?

Ich bin der Meinung, dass die Kunst in jeglicher Form, ganz besonders aber die Arten, die während der Corona-Krise nicht auf herkömmliche Weise ausgeübt werden konnten, für uns persönlich, aber auch für die Gesellschaft kulturell von noch größerem Wert sind. Gerade das Theater spielt für mich hierbei die Rolle einer Art Vermittlerinstanz, wenn die Kunst endlich wieder auf ihr Publikum trifft. Es hat mir persönlich so unglaublich gefehlt auf der Bühne zu stehen und mit all meinen großartigen Kollegen und Freunden in einer Produktion alles zu geben. Wesentlich sollte bei einem Neubeginn sein, dass wir alle das Leben und die Kunst wieder mehr zu schätzen wissen, denn genau so wesentlich ist die Kunst als Bestandteil unserer Kultur und unserer Gesellschaft. Und das nicht nur für uns Künstler. Was wären wir alle die letzten Wochen ohne gute Bücher, Filme oder Musik gewesen? Das sollte auch bei einem Neubeginn nicht vergessen, sondern viel stärker berücksichtigt werden, als zuvor.

 

 

Was liest Du derzeit?

Ein guter Freund hat mir vor kurzem das Buch „Ich war mein größter Feind“ – Die Autobiographie von Adele Neuhauser geschenkt, um mich auf meinem Weg als Schauspielerin zu unterstützen und weil ich persönlich ein unglaublicher Tatort-Fan bin und Adele Neuhauser in ihrer Ermittler-Rolle als Bibi Fellner im Wiener Tatort wahnsinnig beeindruckend finde. Dieses Buch ist sehr emotional geschrieben und fasziniert mich. Grundsätzlich interessieren mich die Geschichten hinter den Menschen und ich lasse mich davon immer gerne inspirieren.

 

 

Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?

Ich möchte gerne eine Textstelle aus dem Lied „Bonnie“ meiner Lieblingsband Kollektiv22 mit Euch teilen:

„Es geht nicht weiter als zum Horizont, also muss ich meinen Horizont erweitern.“

Ich denke, dieses Zitat trifft auf uns alle zu und zeigt uns, dass wir auch in einer Krise wie dieser, nicht verzweifeln, sondern unseren Horizont einfach erweitern und bisherige individuelle Grenzen überschreiten sollten. Mir persönlich bedeutet auch die Lebensweisheit eines Freundes von mir unglaublich viel, weil ich mir diese immer wieder zu Herzen nehme, wenn es mir gerade nicht gut geht oder ich nicht weiterweiß: „Das Leben ist ein Keks.“:)

 

Vielen Dank für das Interview liebe Sophia Julia, viel Freude und Erfolg für Deine großartigen Theater-, Schauspielprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!

 

5 Fragen an KünstlerInnen:

Sophia Julia Schützinger, Schauspielerin – u.a. an der Bayerischen Staatsoper München /Synchronsprecherin

https://www.sophiajuliaschuetzinger.com/biographie

Foto_Martin Erker (2019)

 

21.7..2020_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.

https://literaturoutdoors.com

 

 

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