Liebe Franziska, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Lieber Walter, wahrscheinlich sehe ich den Ablauf nicht. Am ehesten hat sich einer eingeschlichen in den drei Monaten des ±Runter- und Rauffahrens±. Bin ein Tåppnåchi, eine, die stets zu spät kommt, verhatsch eher die Tage und immer wieder kommt ein »Interg’haschblad«, aus dem mehr wird.
Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
»Seelsorge und Gleitgel« – habe *anonym um eine Antwort auf diese Frage gebeten.
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt gesellschaftlich und persönlich stehen. Was ist dabei wesentlich und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?
Aufbruch und Neubeginn – da will ich widersprechen… Man kann sich jetzt ganz gut betroffen fühlen, von Verunsicherung und Nicht-Planbarkeit, wirtschaftlichen Tiefen und einmal mehr von einem ziemlich disparaten Europa. Gleichzeitig zeigt sich auch ein beachtlich heiteres Gemüt à la der Virus habe gezeigt, was wirklich wichtig sei: frohgemut, freundlich und genügsam zu sein. Das müsste allein schon deshalb Misstrauen wecken, weil es etwas ist, das sich nur über das Einbleuen transportiert. Aufbrüche finden die ganze Zeit statt. Einen Neubeginn gibt es nicht. Als ließe sich die Kontinuität von Krieg, Hass, intersektionaler Diskriminierung, Klanbildung… links liegen lassen.
Was liest Du derzeit?
Irmtraud Morgner: Leben und Abenteuer der Trobadora Beatriz nach Zeugnissen ihrer Spielfrau Laura.
Welches Zitat, welche Textstelle möchtest Du uns mitgeben?
Den Zirkusdirektor amüsierte der Vortrag. Er klatschte, holte zwei Gläser und eine Schnapsflasche aus seinem Schreibtisch und schenkte sich und Beatriz ein. Der Vorgang suggerierte der Trobadora Gewißheit. Nach dem Zuprosten erwartete sie das Engagement. Als der Direktor den Schnaps grimassierend geschluckt hatte, bedauerte er jedoch, Beatriz in ihrem Fach nicht beschäftigen zu können. Alle derzeitigen Programme der einzelnen ihm unterstehenden Zirkusunternehmen wären mit Musikalclownnummern versehen. Auch sonst vollständig. Lediglich eine hochqualifizierte Dresseurin würde ihm fehlen. Unfallhalber. […]
Der Direktor sprach über das Berufsrisiko der Artisten und andere Nachteile, die das Wanderleben mit sich brächte. Beatriz sprach über die Vorteile des Wanderlebens. Da sprang die Klappe zum Luftschacht auf. Der Direktor erschrak. Seltsame Klagelaute waren zu hören. Dann der Satz: »Die Menschen glauben große Wahrheiten eher in unwahrscheinlichen Gewändern.«
aus Irmtraud Morgner: Leben und Abenteuer der Trobadora Beatriz nach Zeugnissen ihrer Spielfrau Laura.
Vielen Dank für das Interview liebe Franziska, viel Freude und Erfolg für Deine großartigen Schreibprojekte wie persönlich in diesen Tagen alles Gute!
5 Fragen an KünstlerInnen:
Franziska Füchsl, Schriftstellerin,
Foto: Gregor Pirgie
6.7.2020_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.