Liebe Hristina, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Einen bestimmten Tagesablauf habe ich als Komponistin nicht. Es richtet sich alles nach der Präsenz der Inspiration. Es gibt Tage, an denen ich sehr lange am Tisch oder am Computer sitze und komponiere, ohne eine Pause zu machen. Es gibt aber auch Lebens-, Kunstphasen, in denen ich den ganzen Tag absolut nichts Konstruktives mache. Solche Tage sind für mich als Künstlerin ebenfalls sehr wichtig, weil ich mich dann in der Inkubationsphase befinde, wo mein Unterbewusstsein das Material für neue Ideen sammelt, welche dann in der nächsten produktiven Phase realisiert werden.
Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Besonders wichtig sind immer Gesundheit, Familie und enge Freunde, aber auch die Arbeit, die uns erfüllt. Diese Qualitäten haben unter diesen pandemischen Umständen ein besonderes Gewicht bekommen, in denen wir alle nochmals an ihre Wichtigkeit erinnert wurden und werden.
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Musik, der Kunst an sich zu?
In solch schwierigen Zeiten gibt die Musik und überhaupt die Kunst den Menschen eine Hoffnung und hat eine heilende Rolle. Man kann sich erinnern, als die Menschen in Italien sowie in den anderen Ländern während der stärksten Welle der Pandemie alle zusammen von ihren Fenstern gesungen und musiziert haben. Die Musik wird immer als eine absolute Kategorie überleben, die nicht von uns abhängig ist, sondern die ein Geschenk ist. Für jede Gesellschaft ist die Nachhaltigkeit sehr wichtig, und gerade stehen die KünstlerInnen vor den Schwierigkeiten und der Herausforderung, in der sie um ihre Kunst kämpfen müssen.
Was liest Du derzeit?
Gerade lese ich ein psychiatrisches Buch mit dem Titel „Neurose als Herausforderung“ („Neurosis as Challenge“). Es wurde von einem sehr berühmten serbischen Psychiater und Psychotherapeuten des 20. und 21. Jh.s, Vladeta Jerotic geschrieben. Das Buch beschäftigt sich mit der Theorie und Praxis der Psychotherapie, sowie mit der Anwendung von der psychotherapeutischen Lehre auf das Alltagsleben.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
„Die Kunst ist fast immer harmlos und wohltätig – sie will nichts anderes sein als Illusion.“ – Sigmund Freud
Vielen Dank für das Interview liebe Hristina, viel Freude und Erfolg für alle Musik- und Kunstprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
5 Fragen an KünstlerInnen
Hristina Susak, Komponistin, Musikerin, Performerin
30.6.2020_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.
Fotos_Hristina Susak_Station bei Bachmann_Wien 6_20.
Alle Fotos_Walter Pobaschnig