Lieber Tom, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Aufstehen, wie immer und für einen Moment glaubt man, alles sei normal. Aber bald wird klar dass es da draußen auf der Autobahn viel weniger Verkehr gibt. Und Menschen sitzen im Park, wo sonst niemand ist. Und dann denke ich sofort daran, wie ich meinen 16-jährigen Sohn beschäftigen könnte. Ich denke öfters daran, wen man gerne treffen möchte – und es nicht kann. Und Einkauf mache ich auch nur noch einmal pro Woche. Aber ich verbringe viel mehr Zeit mit meinem Sohn. Ist doch auch schön.
Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Bloß nicht glauben, der Spuk sei schon vorbei. Kürzlich gab ich am Schweizer Radio ein Interview wegen meinem neuen Buch VON SCHLECHTEN ELTERN. Die Sicherheitsmaßnahmen waren dort besonders streng. Den Tonmeister hat mich nur aus der Ferne begrüßt. Im Studioraum gab es aber eine Kiste mit Masken – sonst gibt es die nirgends zu kaufen. Aber hier beim Schweizer Radio lagern Hunderte. Das fand ich schon ein bisschen seltsam. Also habe ich mich eingedeckt. Ich finde, wir müssen uns besser mit Masken schützen, Eitelkeit hilft jetzt keinem, eine sogenannte Normalität wird es lange nicht mehr geben.
Es wird jetzt ein Neubeginn sein, von dem wir gesellschaftlich und persönlich stehen werden. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt der Literatur dabei zu?
Ich lasse mich nicht verrückt machen. Natürlich ist es schade, dass viele Lesungen ausgefallen sind. Auch der finanzielle Schaden ist enorm. Ich bin es aber schon seit der Jugend gewohnt, immer mal wieder mit drohenden existenziellen Abgründen umzugehen. Wer den beruflichen Weg in der Literatur oder mit der Kunst wählt, den können solche Zustände nicht wirklich betrüben. Wir Künstler sollten doch wie geschaffen sein für Krisenzustände. Es sind die anderen Menschen, die ohne finanzielle Sicherheit und Stabilität nicht leben können, wir nannten sie früher die „Normalos“, die haben viel mehr zu verlieren. Ich denke aber auch an junge Familien, die so eine Krise hart trifft. Da können Menschen depressiv werden. An sie muss ich denken. Diese Leute brauchen unsere Hilfe. Vielleicht auch die Hilfe durch die Literatur.
Was liest Du derzeit?
Frauen, die töten von Ann Jones (edition suhrkamp)
Welches Zitat, welchen Impuls aus Deinem aktuellen Roman möchtest Du uns mitgeben?
„Irgendwann sucht Vincents Hand mein Gesicht. Sanft berührt sie meine Augenbrauen, so sanft, als sei meinem zwölfjährigen Sohn längst klar geworden, dass ich ihn mehr brauche als er mich.“
Vielen Dank für das Interview lieber Tom und viel Erfolg für Deinen aktuellen großartigen Roman „Von schlechten Eltern“ und persönlich alles Gute!
5 Fragen an KünstlerInnen:
Tom Kummer, Schriftsteller
Aktueller Roman: Tom Kummer „Von schlechten Eltern“ Klett_Cotta Verlag, 2020
9.4.2020_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.
Foto_Walter Pobaschnig _ Klagenfurt, Bachmannpreistage 2019.