„Der Mensch vergisst schnell und gerne“ Verena Wagner, Sängerin_Klagenfurt 18.4.2020

Liebe Verena, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?

Obwohl ich als Künstlerin eine gewisse Strukturlosigkeit gewöhnt bin – bzw. es gewöhnt bin, mir den Tagesablauf selbst zu gestalten, stellt es mich aktuell vor eine ziemliche Herausforderung. Ich versuche den Tag so gut es geht mit Sport, Musik, Kochen und Natur zu füllen. Meine Buchhaltung von 2019 wartet außerdem auch noch auf mich. 😉 So versuch ich mir ein bisschen einen Plan für die nächsten Wochen zu machen. Aber ganz ehrlich: ich versuche auch, mich irgendwie runterzuholen von dem Stress, dass man jetzt möglichst viele sinnvolle und produktive Dinge tun sollte. Ich mach mir da immer, grundsätzlich, viel Stress. Gestern hatte ich am Abend allerdings plötzlich ein eigenartiges Gefühl von Freiheit – oder zumindest eine Ahnung davon, wie ich mich damals als Kind gefühlt haben muss. Das Gefühl von dieser Freiheit, etwas zu tun – einfach um es zu tun, ohne Zweck und Sinn. Jetzt wo in meinem konkreten Fall alle Veranstaltungen abgesagt wurden – vorerst bis Ende Juni – fällt zumindest eine Sache weg: Der Stress, dass man vielleicht irgendetwas besser oder anders hätte machen können. Vor allem als Selbstständiger ist man hier ja ständig latent unter Druck. Aber aktuell sitzen wir alle im selben Boot. Das hat auch was Befreiendes muss ich sagen.

 

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?

Sich selbst und anderen die Erlaubnis zu geben, zu fühlen, und zu tun, wonach einem gerade ist. Einfach mal sein. Wütend, ängstlich, produktiv, faul, ruhig, laut. Man muss nicht jeden Tag meditieren, man muss sich nicht JETZT sofort mit sich selbst auseinander setzen. Oder mit dem Partner. Oder mit der „effizienten Monetarisierung“ irgendeiner Online-Marketing-Idee.
Man muss nicht positiv sein. Man muss nicht negativ sein.
Eine große Lektion der Toleranz – vor allem sich selbst gegenüber.

 

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Vor einem Aufbruch werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Musik und der Kunst zu?

Die große Frage wird sein, ob sich gewisse Dinge wirklich nachhaltig verändern werden. Ich bezweifle das ein wenig. Der Mensch vergisst schnell und gerne, und wir haben es gern gemütlich und gewohnt. Was die Musik und die Kultur betrifft tut sich gerade etwas auf, ein wenig, eine Sichtbarmachung der heimischen Künstlerszene. Einige Radiosender haben bereits Schwerpunkte mit österreichischen Künstlern gesendet und ich denke, da könnte noch einiges folgen, was ich wirklich toll finde. Das heißt – eine tolle Chance wäre es, das Leben regionaler zu gestalten und zu stärken. Heimischen Künstlern mehr Aufmerksamkeit und Achtung zu schenken – ohne dass man dabei gleich wieder in die Angst reinkippt, dass das Ganze dann vielleicht wieder zu „national“ wird.
Es wäre schön, wenn sich fernab dieser Ängste ein Gefühl von Stolz und Anerkennung für die österreichische Kulturszene entwickelt.

 

Was liest Du derzeit?

Haha. Ich lese das, meiner Meinung nach, lustigste Buch der Welt.
Ein ganz einfacher und älterer Roman, der total zerknittert neben den „klugen“ Büchern in meinem Bücherregal steht und den ich – im Gegensatz zu den gscheiten Büchern – schon tausendmal gelesen habe, immer wieder von Neuem, weil ich den Humor der Autorin liebe.
„Zwölf Männer hat das Jahr“ von Martina Paura

 

Welches Zitat, welchen Text aus Deinen aktuellen Musikprojekten möchtest Du uns mitgeben?

Ich habe am 13.März – genau zu Beginn der Krise, die erste Single aus meinem kommenden Album veröffentlicht – mit dem Titel „Nirgendwohin“.
Das war schon ein etwas krasser Zufall. Oder auch nicht.
😉
Im Refrain heißt es: „Olle stehn irgendwo, mit beiden Beinen fest im Leben, nur i fliag im Nirgendwo, meine Fiaß de schweben“
Ganz besonders möcht i euch aber die erste Zeile des Songs mitgeben – passend zum Thema „Produktivität“:
„Jetzt steh‘ doch auf, olle wortn schon, sie drängan sich schon gonz noch vurn –
owa i bleib liegen!“
In diesem Sinne: Man muss auch amal a bisl liegen bleiben.

bleibt gesund

 

Vielen Dank für das Interview liebe Verena, viel Freude und Erfolg für Dein neues  großartiges Musikalbum und die Single „Nirgendwohin“ wie persönlich in diesen Tagen alles Gute!

5 Fragen an KünstlerInnen:

Verena Wagner, Sängerin

Weitere Informationen:

https://www.verenawagner.com/

 

 

8.4.2020_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.

Foto_Kidizin Sane

 

https://literaturoutdoors.com

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