Liebe Getraud, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
So wie sonst auch, nur alles mit Kindern und Homeschooling. Also Kinderbetreuung und Haushalt unterbrochen von Fütterungszeiten. Ein bisschen wie in den 1950er Jahren. Die intellektuell fordernden Tätigkeiten wie Lesen und Schreiben gehen frühmorgens und spätnachts. Ich habe noch immer nicht hingenommen, dass ich nicht zum Arbeiten kommen werde, solange die Kinder im Haus sind.
Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Ich weiß es nicht. Es wurde schon so viel dazu gesagt. So sehr ich der Regierung dankbar bin, dass durch ihr Handeln die Infektionszahlen niedrig geblieben sind, so sehr missfällt mir diese unübersehbare Lust an der Autoritätsausübung. Auch dieses ständige Eigenlob der Bevölkerung nervt. Die Berichterstattung trieft nur so vor Durchhalteparolen und tröstlicher Schönwetterstimmung. Wichtig wäre, bei aller Vorsicht die demokratischen Fühler nicht auch noch einzufahren. Wir sollten uns nicht von dieser Ausnahmepolitik einlullen lassen.
Es wird jetzt ein Neubeginn sein, von dem wir gesellschaftlich und persönlich stehen werden. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt der Literatur dabei zu?
Der Neubeginn wird sehr bald sehr alt aussehen. Erinnern wir uns an den Jubel beim Regierungsprogramm, all die grünen Klimaträume? Klingt jetzt nach Science Fiction. Was wird wohl danach wichtig sein, außer knallhartes Wirtschaftswachstum? Wo wird wohl gespart werden, bei Steuerflucht und den Konzernen? Wer wird sich da noch um Luxusprobleme wie Umwelt und Frauenpolitik scheren? Das fällt sicher unter „wir haben andere Probleme“. Klimapolitik, Investitionen, eine gerechte Gesellschaft – das kostet. Das wirds im neoliberalen Zeitalter nach einer Mega-Krise nicht spielen. Leider. Da wird der politische Hebel der Literatur ansetzen müssen. Der andere wird sich in den Eskapismus flüchten.
Was liest Du derzeit?
„Unter der Drachenwand“ von Arno Geiger und „Die Zehnjahrespause“ Von Meg Wolitzer.
Kriegszeiten und Heimchenprobleme – das passt doch gut.
Welches Zitat, welchen Impuls aus Deinem aktuellen Roman möchtest Du uns mitgeben?
„Frauen funktionieren, Männer funktionären.“
Ich weiß schon, das ist ungerecht, wenn wir bedenken wie viel diese Regierung arbeitet. Aber immer, wenn die Slimfitfraktion im Gleichschritt zu den Pulten schreitet, denk ich mir: schon wieder nur Männer. Sie entscheiden, wir alle gehorchen, und die Frauen sind beschäftigt mit dem funktionieren, alles wie immer. Und ganz heimlich denke ich mir: jetzt wäre doch ein guter Punkt für einen Frauenstreik.
Vielen Dank für das Interview liebe Getraud und viel Erfolg für Deinen aktuellen großartigen Roman und persönlich alles Gute!
5 Fragen an KünstlerInnen:
Gertraud Klemm, Schriftstellerin,
Aktueller Roman _ „Hippocampus“ Kremayr&Scheriau Verlag, 2019
Weitere Informationen:
7.4.2020_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.
Foto_Dirk Skiba