Grundsätzlich betritt jeder Mensch mit seinen Möglichkeiten, Interessen eine Stadt anders. Eine Stadt ist viele Städte und hat einfach viele Ebenen.
Die Jungs in meinem neuen Roman „Feenstaube“ stehen außerhalb sichtbarer Stadträume. Anknüpfungspunkte von Ihnen im gesellschaftlichen Leben sind nicht gewünscht. Sie sollen möglichst unauffällig und mit der Stadt nicht verwachsen sein. In Städten gibt es ja grundsätzlich ein Parallelleben, Parallelräume. Je nach gesellschaftlicher Position werden mehr und sichtbarere Räume besetzt.
Die Jugendlichen in „Feenstaub“ haben Sehnsüchte. Sie sprechen über die Möglichkeiten „wie es wäre“.
Verlorene, ausgebeutete, missbrauchte Jugend, das ist ein Phänomen weltweit.
Die Topographie der Insel im Roman lässt ja viele Zugänge zu. Ist der Nebel real, metaphorisch, imaginiert oder suggeriert? Ist es der Nebel im Kopf von den Jungs oder das Schweigen einer Gesellschaft, welche diese Insel nicht sehen will? Ich schätze es, wenn im Schreiben diese offenen Möglichkeiten des Lesens geschaffen werden.
Jede Stadt hat „Inseln“. Räume und Möglichkeiten von Sozietät, Individualität und Kreativität, Freiheit. Wenn ich in ein Kaffeehaus ein Buch mitnehme, kann das meine Insel sein. Eine Insel ist immer das was wir daraus machen.
Es ist wichtig in einer Stadt viele und unterschiedliche Inseln für alle zu haben. Ob dies FreundInnen, Vereine oder einfach öffentliche Raummöglichkeiten sind.
Menschen sollen sich auch von ihren eigenen Inseln aus bewegen, nicht bloß darauf sitzenbleiben – im Nebel.
Städte haben Risiken. Die individuelle Erwartungshaltung ist dabei auch wesentlich.
Der Mensch ist auch ein „Angsttier“ und speichert Erfahrungen, Erzählungen anderer. Das kann eine Stadt dunkler, unsicherer machen.
Jeder bewegt sich in Wahrheit durch seine eigene Stadt.
Kunst kann die verschiedenen Inseln in unserer Gesellschaft sichtbar machen. Kunst kann Brücken-Bauen zwischen den unterschiedlichen Inseln.
Das Spiel ist unerlässlich zur Selbst-, Körpererfahrung und der eigenen Grenzen.
Kunst kann die verschiedenen Inseln in unserer Gesellschaft sichtbar machen. Kunst kann Brücken-Bauen zwischen den unterschiedlichen Inseln.
Kunst, etwa Literatur, Film, gibt die Möglichkeit Fenster zu öffnen, authentische Erfahrungen im Blick auf anderes, andere zu machen.
Der Austausch im künstlerischen Raum ist ganz wichtig. Kunstfiguren können Emotionen auslagern und Diskussionen ermöglichen.
Ein Ort kann Sehnsuchts- oder Verlustort sein. Verbunden oder gebunden.
Orte sind Momente in der Zeit wie im Raum. Orte verändern sich.
Orte hängen sehr mit individueller Erfahrung zusammen. Persönliche Erinnerungen, die sich auf einen Ort drauflegen und für andere nicht sichtbar sind.
Die Topographien im Roman sind Schlaglichter auf verschiedene Städte, die ich bereist habe oder die ich mir in der Phantasie erdacht habe.
Die Stadt im Roman ist eine, die überall und nirgends sein kann oder überall gleichzeitig ist.
Das „Keine Angst!“ hier an der Gedenksäule vor dem Wohnhaus von Hansi Lang erinnert mich an einen Asterix Band, in dem sich die Normannen auf den Weg machen, um die Angst kennenzulernen. Sie haben gehört, dass die Angst Flügel verleiht und sie wollen Fliegen lernen. Am Ende stellt sich heraus, nur wer die Angst kennt, kann auch wirklich mutig sein. Ich sehe Angst immer als Potential für Mut.
Jeder meiner Romane funktioniert anders von Struktur, Atmosphäre. In diesem Roman war viel Bedarf an Weißraum. Es geht darum Platz zu machen für die Poesie und Phantasie- Reflexionsräume an sich.
Mein Schreiben ist organisch. Ein natürlicher Prozess. Ein Wachsen.
Ich bin ein großer Fan des Nicht-Erzählens. Ich muss nicht alles in ein Buch reinschreiben.
Worte, Texte brauchen auch Hallraum, ein Echo, die eigenen Gedanken von Leserin und Leser.
Literatur ist ganz direkt. Da gibt es kein Rausnehmen aus den eigenen Gedanken, dem eigenen Kopf, eigenem Leben. Es ist eine sehr intime Kunstform.
Literatur ist auch immer Selbsterfahrung.
Geschichten sind neben der Höhlenmalerei die älteste Kunstform, Unterhaltung des Menschen. Geschichten wird es immer geben.
Ich denke Leserin und Leser beim Schreiben immer mit. Es muss da Platz sein für jemand anders. Inspiration ist dabei der Gedanke im Kopf, von dem Du nicht weißt, woher er kommt. Ich trage immer ein Notizbuch bei mir.
Jedes meiner Bücher hat in seiner Entstehung auch mit Musik zu tun. Beim aktuellen Roman „Feenstaub“ war es Instrumentalmusik, sphärische Klänge.
Was wird gespielt? Was ist Wahrheit? Mein Roman stellt diese Fragen.
Cornelia Travnicek, Schriftstellerin _ Romanneuerscheinung „Feenstaub“ 3_20.
Vielen Dank liebe Cornelia für den Fotospaziergang durch Wien und das Interview!
Alle Fotos_Interview _ Walter Pobaschnig 28.2.2020_Wien.