Erinnerung an Helena Adler – „Sie blieb für mich nicht im „Herkunftshader“, im Leiden an der Provinz stecken“ Gunther Neumann, Schriftsteller _ Wien 9.1.2024

Erinnerungen an Helena Adler _ Gunther Neumann, Schriftsteller

+ 5.1.2024  „Helena Adler“, Schriftstellerin, Salzburg
(Stephanie Helena Prähauser *1983)

Lieber Gunther Neumann, welche Erinnerungen hast Du an Helena Adler, Schriftstellerin (Stephanie Helena Prähauser + 5.1.2024  *1983) ?

An einen authentischen, unprätentiösen, heiteren, klugen und zugewandten Menschen. Und klar, an eine tolle Schriftstellerin. Wir haben uns gelegentlich ausgetauscht, über das Schreiben, auch über unsere Kinder, die Freude und die Angst um sie.

Wann, wie begegnete Dir der erste Text von Ihr und welche Wirkung hatte dieser auf Dich?

Sie hatte mich 2020 nach der Publikation der Longlist des österreichischen Buchpreises kontaktiert. Sie war mit der „Infantin“ dann auf der Shortlist, und bekam später noch viel unbedingt verdiente Anerkennung. Die Infantin war für mich voll mitreißender Wucht, sprühend und poetisch, zum Lachen und zum Weinen. Und rasch die Frage: hält sie in diesem Sprachsturm die Balance und das Niveau? Sie hat – auch in „Fretten“, ihrem nächsten und leider letzten Roman.

Was zeichnete ihr Schreiben für Dich aus?

Das Wort sprach-gewaltig wird oft strapaziert. Bei ihr war es weniger Sprach-Gewalt als Sprach-Kunst, leichtfüßiges Sprach-Spiel, Sprach-Lust mit Assoziationen, Übertreibungen, Verdichtungen, drastisch genau, existentiell, liebevoll, zärtlich, zornig und abgründig bis ins Absurde. „Es wuchert vor Sprache“, hat es Katja Gasser einmal genannt. Ein großer Lesegenuss.

Wie hast Du Helena Adler als Kollegin erlebt?

Sie war voll Anerkennung & Wohlwollen. Ich habe nie erlebt, dass sie andere als Konkurrenten wahrnahm – was beileibe keine Selbstverständlichkeit ist. Viele Worte treffen auf sie zu: witzig bzw. vielmehr sehr humorvoll, kreativ, rebellisch, unkonventionell, eigen-sinnig ebenso wie warmherzig und noch viel mehr. Ihre Schlag-Fertigkeit war für mich nie böse oder verletzend, sondern gepaart mit Sensibilität und Nachdenklichkeit. Eine rundum anziehende und einnehmende Mischung.

Welches literarische Erbe hinterlässt sie und wie ist dies in der österreichischen Literatur einzuordnen?

Sie passt nicht in die hierzulande beliebte Schublade Antiheimatroman. Sie blieb für mich nicht im „Herkunftshader“, im Leiden an der Provinz stecken – sie hat sich darüber erhoben. Jetzt leider in einem ganz anderen und sehr schmerzlichen Sinn.

Ihre Einordnung in die österreichischen Literatur maße ich mir nicht an.

Wie wird Dir Werk und Leben Helena Adlers in Erinnerung bleiben?

Es ist bitter, dass du gegangen bist und es war wunderbar, dass du hier warst – das schreibt sich leichter als es sich anfühlt. Sie hat uns bereichert, mit Beobachtungen, Worten, Sprachbildern und ihrem so-Sein. Es bleibt ein riesiger Dank für die Inspiration und Wärme, die sie geschenkt hat. Sie hinterlässt eine nicht zu schließende Lücke, und Schmerz. In allererster Linie wohl für ihren Sohn, ihren Mann, die Familie und die engen Freunde.

Danke auch an Walter – Dein Engagement, dass sie unvergessen bleibt.

Gunther Neumann, Schriftsteller  

http://www.gunther-neumann.com

Wien, 9.1.2024

Herzlichen Dank für Dein Interview und Deine Erinnerungen, lieber Gunther!

Gunther Neumann, Schriftsteller

Helena Adler, Schriftstellerin +5.1.2024

+ 5.1.2024  „Helena Adler“, Schriftstellerin, Salzburg
(Stephanie Helena Prähauser *1983)

Geboren 1983 in Oberndorf bei Salzburg.
Lebte als Autorin und Künstlerin in der Nähe von Salzburg.

Studium der Malerei am Mozarteum sowie Psychologie und Philosophie an der Universität Salzburg.

Auszeichnungen:

2022 Shortlist Österreichischer Buchpreis

2020 Longlist Deutscher Buchpreis

2020 Shortlist Österreichischer Buchpreis

2020 Projektstipendium Literatur BKA

2018 Jahresstipendium Literatur, Salzburg  

https://jungundjung.at/verfasser/adler-helena/  6.1.2024

Bücher:  

https://literaturoutdoors.com/2020/07/08/die-infantin-traegt-den-scheitel-links-helena-adler-roman-jung-und-jung-verlag/       

https://literaturoutdoors.com/2022/09/12/fretten-helena-adler-jung-und-jung-verlag/ 

Interview:

https://literaturoutdoors.com/2020/04/13/der-neubeginn-ist-verzicht-wir-hinterlassen-schon-genug-saustall-helena-adler-schriftstellerin_wien-13-4-2020/

Fotos Helena Adler_Eva Trifft/Jung und Jung

Foto _ Gunther Neumann: privat

Grafik: Romana Fürlinger

Walter Pobaschnig 9.1.2024

https://literaturoutdoors.com

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