„Sinnliche Sinnsuche“ Marjeta Angerer, Textilkünstlerin _ Köttmansdorf/Kärnten 27.5.2023

Liebe Marjeta Angerer-Guggenberger, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?

Einerseits routiniert, anderseits unvorhersehbar. Notwendiges passiert am Tag, Gewolltes, Künstlerisches in der Nacht.

Marjeta Angerer-Guggenberger, BA _
Textilkünstlerin, Textildesignerin, Gelegenheitsschreiberin

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?

Falsche Prioritäten vermeiden, weniger Irritationen zulassen – oder herbeiführen.

Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Kunst an sich zu?

Die Gründe für Politikverdrossenheit beseitigen, sich der Eigenverantwortung nicht entziehen, Angriffslust mindern. Kunst ist die Plattform für dafür geeignete Fragestellungen. Sinnliche Sinnsuche.

Marjeta Angerer-Guggenberger _ „Band/Breite“ –
textil-visuelle Reflexion von „mea ois wia mia“_ Gastland Österreich _ Buchmesse Leipzig 2023_

Zur Installation Band/Breite – einer visuellen Reflexion von „mea ois wia mia“ _ Gastland Österreich _ Buchmesse Leipzig 2023_
Ausdrucksvielfalt, Bedeutungszuschreibungen, Erzählformen, Übersetzung, Verwandlung. Am Schnittpunkt zwischen gesprochener und visueller Sprache bewegen sich die eigenen Bilder im Kopf. Die unterschiedlichen Sprachen, die uns zur Verfügung stehen, bedingen vielschichtige Erzählweisen. Diese lassen sich immer auch querverbinden. Die vernommene Sprache transformiert sich so zur eigenständigen Sinndimension.

Vom „Material der Sprache, aus der man eine Form herausholt“ sprach Ferdinand Schmatz in Katja Gassers Rosa Salon. In jenem Moment erschien so das fertige Bild im Kopf, das mir
eine Umsetzung in visueller Sprache wert war. Anna Marwan sagte neulich, sie denke „in Wolken mit Wörtern befüllt“, und müsse diese stets in gesprochene Sprache übersetzen. Wörter und Sätze beschreiten in meinem Tun den umgekehrten Weg – und finden dabei ihren eigenen Ausdruck. Der Sprachgebrauch kann beglückend sein, langweilig, träge, verstaubt, überlegt, überdreht, inhaltsleer, eigenwillig, korrekt, unkorrekt, ästhetisch, humorvoll, frech, überraschend, weiteres mehr und ja, auch gewalttätig.
Gesagtes macht was mit uns. Schon ein Buchtitel kann bereits ein Genuss sein – wie zuletzt mein Lieblingsroman von Minu Ghedina „Die Korrektur des Horizonts“. Welche Kraft eine Redewendung an den Tag legen kann, wird hier für mich überdeutlich. Wenn das Gesagte, das Geschriebene wie ein Schlüssel die Türe zu der eigenen inneren Landschaft aufsperrt, auftut, dann spätestens wird wohl die Bedeutsamkeit der Sprache und der Literatur für unser Menschsein in allem Umfang manifest.

„Ich bin ich, weil du du bist“, sagte zuletzt Dževad Karahasan im Dialog mit Katja Gasser. Die Installation zeugt vielleicht auch, in der Weise ihres Entstehens, von der Richtigkeit seiner Aussage. Wenn jemand etwas tut, was Andere zur Reflexion, zum Weitertun oder gar dem weiteren Entfalten anregt, dann passiert wohl das Wertvollste, was wir mit Sprache erreichen können – Inspiration, Vergnügen und Sinnstiftung.

Marjeta Angerer-Guggenberger 17. 4. 2023

Marjeta Angerer-Guggenberger _ „Band/Breite“ – textil-visuelle Reflexion von „mea ois wia mia“_ Gastland Österreich _ Buchmesse Leipzig 2023_

BAND/BREITE
kurze Ideenbeschreibung
Der hier offene, raumgebende/raumlassende Rahmen steht für tradiertes, verschrobenes, schräges, gescheites und sonstwie beschaffenes Österreich, in dem sich das Menschsein, die Vielfältigkeit der hier Lebenden, sowie die vielschichtige und kreative Bandbreite, die hierzulande hörbar, lesbar und sichtbar vorzufinden ist, dann doch entfalten kann/darf/soll/will/muss/etc. Eben: „mea ois wia mia“
Die in diesem Fall vorwiegend gestaltende weibliche Schaffenskraft wird hier durch die etwas „aus der Zeit gefallene“ Dirndloptik augenzwinkernd thematisiert und spielt so mit den herkömmlichen Zuschreibungen und Klischees rund um alles, was das ach so Österreichische sein sollte.

Was liest Du derzeit?

Die Korrektur des Horizonts von Minu Ghedina. Verpuppt von Ana Marwan. Und einige Fachbücher.

Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?

„Ich bin ich, weil du du bist.“ Dzevad Karahasan

Vielen Dank für das Interview liebe Marjeta, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Kunstprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute! 

5 Fragen an Künstler*innen:

Marjeta Angerer-Guggenberger, BA _
Textilkünstlerin, Textildesignerin, Gelegenheitsschreiberin

Zur Person_Marjeta Angerer-Guggenberger, BA_ geboren 1963 in Ljubljana. Textilkünstlerin, Textildesignerin, Gelegenheitsschreiberin. Abschluss MA visuelle Kultur im Juli 2013 AAU Klagenfurt. Früher in Wien, lebt zurzeit in Köttmannsdorf bei Klagenfurt

Fotos_Marjeta Angerer-Guggenberger


18.5.2023_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.

https://literaturoutdoors.com

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