Liebe Jennifer Mattes, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Intensiv, aufregend und manchmal stressig. Es passiert viel und man probiert viel aus bis man dann aufgeregt und aufgeladen wieder nach Hause kommt am Abend oder nachts und versucht zu schlafen .. aber es tut sehr gut, soviel zu arbeiten und aktiv zu sein. Es ist erfüllend.

aktuelle Produktion „DAIMON. DIE NAMENLOSE“ WERK X-Petersplatz, Wien 1010.
Spieltermine _Premiere: Dienstag, 16.05.2023 & Mittwoch 17.05.2023.
Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Dass wir nicht die Nerven verlieren und weiter versuchen, trotz der persönlichen oder politischen Lage nach vorne zu schauen und positiv dabei bleiben. Es gibt für alles eine Lösung und ich hoffe, dass wir alle daran arbeiten und jede/r seinen Teil dazu beiträgt, ob im Großen oder kleinen – ich glaube, das ist sehr wichtig jetzt.

Spieltermine _Premiere: Dienstag, 16.05.2023 & Mittwoch 17.05.2023.
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei dem Theater/Schauspiel, der Kunst an sich zu?
Ich denke, es ist wichtig, dass die Kunst weiterhin eine Plattform bietet, in der sie die vorherrschenden Verhältnisse spiegeln, hinterfragen oder offenlegen kann. Dass sie nicht zum Selbstzweck wird oder versucht, ausschließlich zu gefallen. Kunst entsteht und ich hoffe, dass es weiterhin möglich sein wird, eben auch unter den widrigsten Bedingungen entstehen zu können, dass es Menschen gibt, die sich in alle Richtungen bewegen versuchen, eben auch jene, die sich Ihnen verschließen und dass diese Menschen gehört werden. Dass wir alle die Hoffnung nicht aufgeben..

Was liest Du derzeit?
Von Anna Löwenhaupt Zing: der Pilz am Ende der Welt
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
Verliere den ganzen Verstand, ein halber verwirrt nur
C.F. Hill
Vielen Dank für das Interview liebe Jennifer Mattes, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Theater-, Film-, Kunstprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
5 Fragen an Künstler*innen:
Jennifer Mattes, Regisseurin
Zur Person_
Jennifer Mattes | Regie, Bühne, Kostüm, Video
1982 in Stuttgart geboren. Studium von Film und Video in Stuttgart und Bildende Kunst und Film bei Harun Farocki und Constanze Ruhm an der Akademie der bildenden Künste Wien. Arbeitet im Bereich Installation und Essayfilm und an der Schnittstelle von dokumentarischen, fiktiven und performativen Prozessen. Zusätzlich verfasst sie Text- und Soundcollagen in ihren Filmen. Für ihre Arbeiten erhielt sie zahlreiche Preise und Stipendien u. a. den Birgit-Jürgenssen-Preis 2014, Diagonale-Preis Innovatives Kino 2019, Stipendium für Bildende Kunst der Kunststiftung Baden-Württemberg 2019, sowie mehrere Ausstellungen wie u. a. in der Národni galerie Praha, Arti et Amicitiae in Amsterdam, Staatliche Kunsthalle Baden-Baden und Ballhaus Ost in Berlin.
Aktuelle Produktion „DAIMON. DIE NAMENLOSE“ _ von Christian Kühne

Spieltermine _Premiere: Dienstag, 16.05.2023 & Mittwoch 17.05.2023.

Isoliert in ihrer Wohnung, begibt sich eine Frau* auf die Suche nach einer neuen Form des Seins, die unabhängig ist von allen Prägungen, Erfahrungen, äußeren Bildern und Einflüssen.
Sie glaubt, diesen Zustand im Wahnsinn zu finden, der ihr schon einmal in einer Klinik genommen wurde. Auf der Suche nach neuen Bildern einer anderen Existenz stellt sie ihre Identität in Frage, ihr Geschlecht und ihre Rolle in der Gesellschaft. Während dieses Prozesses erblindet sie.
Ihr einziges Werkzeug ist eine Kamera, die ihren Blick ersetzt.
Von den Gespenstern ihrer Vergangenheit eingeholt, bemächtigt sie sich dieser. In ihrem radikalen Kampf um Autonomie, nimmt sie auch den Zerfall ihres Selbst in Kauf. Wird die Namenlose am Ende, wenn sie sich von allem gelöst hat, bestehen?
Der im Stück benannte „Bildverlust“ wird als zentrales Thema aufgegriffen.
Als Resultat der Bilder, die uns konstant umgeben und die unser Selbst- und Fremdbild sowie die Idealisierung und Stereotypisierung dieser wesentlich mitbestimmen.
Ist es möglich, aus der Spirale von (Wahn-)Vorstellungen und Projektionen sowie den damit verbundenen seelischen Verletzungen auszubrechen, diesen Mustern eigene Bilder entgegenzusetzen? Oder bleiben diese stets nur Reaktionen auf augenscheinliche Wahrnehmungen und Erinnerungen und somit unweigerlich mit jeder (optischen) Vorgabe verknüpft? Können die Grenzen der Bilder in unseren Köpfen lediglich verschwimmen oder tatsächlich aufgehoben werden? Was passiert, wenn wir nicht mehr dem entsprechen, was von uns erwartet wird?
Um eine neue Perspektive einnehmen zu können, treten die anderen Sinne in den Vordergrund. Musik, Geräusche, die Magie der Sprache, Bewegung sowie das körperliche Erspüren des Raumes als Widerstand führen zum Aufreißen scheinbarer Sicherheiten und Strukturen.
„DAIMON. Die Namenlose“ bewegt sich an der Schnittstelle zwischen Theater, Literatur und Film. Inspiriert von Sylvia Plath, Ingmar Bergman, Virginia Woolf und Anderen, beschäftigt sich die Inszenierung mit Trauma, psychogener Blindheit, Identität und der Möglichkeit eines freien, selbstbestimmten Lebens im Spannungsbogen von Verzweiflung und Euphorie.

„DAIMON. DIE NAMENLOSE“ _ von Christian Kühne
Uraufführung. Eine Produktion von zij in Kooperation mit WERK X- Petersplatz
Inszenierung: Ina Jaich, Jennifer Mattes
Text: Christian Kühne
Live-Musik, Komposition: Antonia Dering
Bühne, Kostüm, Video: Jennifer Mattes
Mentoring: Luk Perceval
Dramaturgie, Regieassistenz: Laura Brechmann
Recherche: Zeynep Alan
Produktionsleitung: Magdalena Stolhofer
WERK X-Petersplatz, Wien 1010. Spieltermine _Premiere: Dienstag, 16.05.2023 & Mittwoch 17.05.2023.
Beginnzeit: 19.30 Uhr
DAIMON. Die Namenlose
Fotos _Produktion: Arthur Summereder; Portrait Ina Jaich: Urban_Ruths; Portrait Ina Jaich und Jennifer Mattes: Sebastian Grimberg
10.5.2023_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.