Lieber Wolfgang Salomon, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Ich habe 365 verschiedene Tagesabläufe anzubieten. Die meisten davon sind unspektakulär. Heute z.B. versuche ich mich nach einer halbjährigen Postproduktion zu freuen, dass mein in Kürze erscheinendes Buch gerade in Druck geht. Ich bin gerade in meinem Gefühlskeller auf der Suche nach der Freude. Mit Händen und Füßen klammere ich mich an die Ränder des unvermeidlichen Danach-Lochs, um nicht darin zu versinken. Wenn das geschafft ist, mit den Druckfahnen eines befreundeten Autors frühstückend in meinem Stamm-Cafe abtauchen, meine Tochter am Nachmittag von der Schule abholen, ihr bei den Hausaufgaben unterstützend zur Hand gehen, am Abend ein feines Menü für meine Familie zubereiten und den Kopf am Herd freikriegen.

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Die eigene rote Linie inmitten des allgegenwärtig manipulativen Medien-Overkills nicht zu verlieren. Mensch bleiben und Akzeptanz leben.
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?
Für mich ist jeder neue Tag gesellschaftlicher und persönlicher Aufbruch und gleichzeitig Neubeginn. Vor dem evozierten „Aufbruch und Neubeginn“-Damoklesschwert muss sich einzig die verkommerzialisierte Kunst und Literatur in Acht nehmen. Starre Verlags- und Kunsthäuser werden – ähnlich wie vor ein paar Dekaden die gottähnlichen Plattenfirmen im Zeichen der Digitalisierung – überrollt werden. Ein Gros der Kunst und Literatur wird zukünftig auf Bildschirmen und Displays abrufbar sein. Die Rollenverteilung wird flexibel bleiben und vielleicht ist das auch für Literatur und Kunst gut so.
Was liest Du derzeit?
Ich lese meist zwei bis drei Bücher gleichzeitig. Für unterwegs habe ich immer leichte Bücher (nicht zu verwechseln mit leichter Literatur) in meiner Tasche und für zu Hause die größeren, schweren Formate. Aktuell lese ich eine Max Ernst-Monographie von Lothar Fischer aus dem Jahr 1964. Zu Hause versinke ich gerade in Andrea Giovenes erstem Band „Die Autobiographie des Giuliano di Sansevero“ und studiere nebenbei Gerhard Roths „Bild-Sprache; Österreichische Malerei nach 1945“
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
Die schlimmsten Gefängnisse sind diejenigen, welche wir in unseren Köpfen errichten. Dort haben wir allerdings auch die größte Macht, diese Mauern wieder einzureißen.
Vielen Dank für das Interview lieber Wolfgang, viel Freude und Erfolg für Deine großartigen Literatur-, Kunstprojekte wie persönlich in diesen Tagen alles Gute!
5 Fragen an Künstler*innen:
Wolfgang Salomon, Autor
Zur Person_Jahrgang 1967, typischer Wiener, Reisender, Beobachter und Stimmungsvermittler. Schreibt und fotografiert seit zehn Jahren literarische Reisebücher über Wien, Triest und Venedig und versucht sich zur Zeit gerade an seiner ersten venezianischen Krimi-Trilogie.
Foto_Götz Schrage
27.3.2023_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.