Österreich_Gastland Leipziger Buchmesse 2023
Interview _ Tex Rubinowitz_Schriftsteller, Bildender Künstler _ Bachmannpreisträger 2014 _ Wien

Lieber Tex Rubinowitz, ist Österreich als Gastland die vorauseilende Revanche für den deutschen (Sommer) Gast?
Ich glaube, die Österreicher sind realistisch genug, zu erkennen, dass der deutsche Sommergast als Synonym für unsensible Präsenz, Lautstärke und Arroganz inzwischen eine Chimäre geworden ist, zumal im pseudoauthentischen Tiroler Ambiente ungarische Servicekräfte Gästen aus Sachsen Kaßspatzln erklären und servieren müssen, während die autochthonen Tiroler dem Rascheln des Geldes in der Kasse lauschen

Was zeichnet den österreichischen Gast aus?
Er fällt nicht weiter auf, und sobald er den Mund aufmacht, findet man ihn in Deutschland niedlich, das ist einerseits Vorteil, man kann so nicht verlieren, und andererseits nimmt man ihn nicht ernst, auch wieder ein Vorteil, beweisen zu können, was man kann und mitgebracht hat
Wird Leipzig das Literatur-Cordoba für Österreich?
Cordoba als immerwiederkehrendes Beispiel eines Zufalls ist mittlerweile so weich wie Knäckebrot im Regen geworden, in Deutschland kennt man das gar nicht, die kleinere DDR hat auch mal die westdeutsche Fußballnationalmannschaft besiegt, im ostdeutschen Leipzig wird man sich eher daran erinnern, wenn überhaupt, und Literatursiege, die gibt es nicht, die Zahl der Literaturpreise gegeneinander aufzurechnen, führt zu nichts, denn das würde implizieren, dass Juries unter nationalen Gesichtspunkten entscheiden würden und sich damit diskreditieren und unglaubwürdig machen

Ist „Meaoiswiamia“ als majestetischer Plural gemeint, um Deutschland geschickt narzisstisch zu überlisten, oder als Selbstkritik am Literaturbetrieb?
Ich verstehe den Slogan eher als onomatopoetisches Verwirrspiel a la Ernst Jandl, ja, kann eine List sein, etwas, was nicht so schnell erfassbar ist, eher wahrzunehmen als durchzuwinken, also ein Trick, der noch dazu den Vorteil hat, dass Deutsche ihn putzig finden, weil sie den Satz nicht verstehen, man kann ihnen also alles unterjubeln, es muss nur gut klingen

Henne oder Ei? Wer zuerst? Wer war literarisch zuerst da? Österreich oder Deutschland – Wer ist literarische Henne oder literarisches Ei?
Ich glaube, dass es keine genuin österreichische Literaturattitüde oder Erzählhaltung gibt, außer, dass man sich in Österreich vielleicht mutiger und schneller Dinge traut, zu schreiben, zu machen, zu zeigen, auch Scheitern zu riskieren und zuzulassen, um daraus wieder neue Energien zu generieren, aber das sind vermutlich Klischees, aber dass der eine oder die andere vor der einen oder dem anderen war, bezweifle ich, nationale Attitüden haben ja immer etwas Folkloristisches, das soll in den Herkunftsländern bleiben, das macht ja ihren Reiz aus, und nur dadurch funktionieren sie woanders, traurig genug, dass in Österreich jeder und jede inzwischen zur Verabschiedung „Tschüß“ sagt, was vor 30 Jahren noch undenkbar war, während in Kiel niemand etwas „leiwand“ findet
Herzlichen Dank!

Zur Person_ Tex Rubinowitz, geboren 1961 in Hannover, lebt seit 1984 als Witzezeichner, Maler, Musiker und Schriftsteller in Wien. 2014 erhielt er den Bachmann-Preis.
Aktueller Roman_

„Lass mich nicht allein mit ihr“ Tex Rubinowitz;
Rowohlt Verlag; Erscheinungstermin: 17.02.2017
288 Seiten
ISBN: 978-3-498-09355-6
Weitere Bücher von Tex Rubinowitz:
https://www.rowohlt.de/autor/tex-rubinowitz-1855
Fotos_Walter Pobaschnig
Interview_Walter Pobaschnig _ 27.4.2023