Liebe Ursula Leitner, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Nach der coronabedingten Pause und Entschleunigung bin ich mittlerweile zum Glück wieder recht gut beschäftigt. Das heißt, ich habe täglich Probe oder bereite mich auf meine nächsten Projekte vor, indem ich recherchiere, an Textfassungen feile, Termine organisiere und Probenpläne austüftle.

Momentan bin ich in der Aufführung von HERSTORY. No more excuses. No more abuses. Ein absolutes Herzensprojekt (Premiere: 16. März, Werk-X Petersplatz, laufende Vorstellungen). Es geht dabei um die unverständlich hohe Toleranz für Gewalt an Frauen in unserer Gesellschaft. Darauf will ich aufmerksam machen, gleichzeitig auch anklagen. Täglich steht mir dabei ein tolles Team und Ensemble – bestehend aus Frauen – zur Seite. Ich bin überzeugt davon, dass wir mit diesem Stück etwas bewirken können.

Ein Doku-Theaterstück von Sophie Benedikte Stocker _ laufende Vorstellungen _
Werk X ´- Petersplatz 1, 1010 Wien
Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Eine Rückbesinnung auf sich selbst und den Umstand, dass wir als Gesellschaft nur gemeinsam funktionieren können. Weg von den Befindlichkeiten und Kontroversen. Mir fehlt es an Respekt im Umgang miteinander. Wir sollten die Aufmerksamkeit auf die Solidarität miteinander richten und einsehen, dass Menschen unterschiedliche Meinungen haben können und dürfen, dabei aber nie vergessen, dass wir kommunizieren müssen. Kommunikation ist das A und O.

Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei dem Theater/Schauspiel, der Kunst an sich zu?
Das Theater bzw. die Kunst bietet die Möglichkeit der Gesellschaft einen Spiegel vorzuhalten und Probleme aufzuzeigen. Man darf dabei nicht erwarten, dass es Lösungen parat hat. Doch die Kunst, insbesondere das Theater kann die Kommunikation fördern, Denkanstöße liefern und zu Diskussionen anregen. Wenn ich das nicht glauben würde, könnte ich eine Produktion wie HERSTORY nicht verwirklichen.
Was liest Du derzeit?
„Heimat bist du toter Töchter“ von Yvonne Widler, darin geht es um die zahlreichen Femizide in Österreich. Zur Erholung lese ich dann „Die
Verlorenen“, einen Thriller von Simon Beckett.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
„Nehmt ihr uns eine, antworten wir alle.“

Zur Person _ Ursula Leitner, geboren 1987, arbeitet als freischaffende Regisseurin und Theatermacherin. Sie ist Mitbegründerin des Theaterkollektivs handikapped unicorns. In Wien inszenierte sie erfolgreich „Zum Wilden Mann“ im WERK X-Petersplatz sowie „Sherlock Holmes“ von Tex Rubinowitz im WERK X. Zudem führt sie regelmäßig im Theater Westliches Weinviertel Regie (u. a. „Ladies Night“, „Die 39 Stufen“, „Krach im Hause Gott“) und war vier Jahre für die Sommerspiele Melk als Regiemitarbeiterin tätig. Ihre
Inszenierung von „Hödlmoser“ von Reinhard P. Gruber tourt seit Herbst 2022 nun auch 2023 durch die Steiermark. Weitere Arbeiten waren u. a. „Im Auftrag Charles Mansons“ im ehemaligen WERK XEldorado. Ihre Inszenierungen von „norway.today“ und der Romanadaption „Bienensterben“ waren im Ateliertheater Wien zu sehen. Für das jährliche Stationentheater im Erlebniskeller Retz fungiert sie als künstlerische Leiterin. Zuletzt inszenierte sie „Sauschneidn“ von Ewald Palmetshofer, das im Februar 2023 seine Premiere im Hoftheater Höf-Präbach feierte und im April 2023 im OFF THEATER in Wien zu sehen sein wird.
Seit April 2021 ist sie zudem als Assistenzdozentin für das Fach Rollengestaltung am Max Reinhardt Seminar tätig; weiters Produktionsleiterin und Dramaturgin u. a.
am Burgtheater (2011-2014), Kosmos Theater, Salzburger Festspiele.
Aktuelle laufende Produktion_
HERSTORY. No more excuses. No more abuses.
Ein Doku-Theaterstück von Sophie Benedikte Stocker
Eine Produktion von handikapped unicorns
in Kooperation mit WERK X-Petersplatz
Uraufführung
Inszenierung: Ursula Leitner
Premiere: 16.03.2023
Weitere Vorstellungen: 22.-25.03.2023
Beginn: jeweils 19.30 Uhr,
WERK X-Petersplatz
Petersplatz 1
1010 Wien
HERSTORY. No more excuses. No more abuses.
Foto Portrait_Reinhard Werner
Fotos Produktion_Alexander Gotter
21.3.2023_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.