„Kunst ist harte Arbeit“ Boris Greff, Schriftsteller _ Merzig/Saar 28.2.2023

Lieber Boris, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?

Das ist schwer zu sagen, da ich unterschiedlich lange Arbeitszeiten habe, aber man kann sagen, dass ich in aller Regel tagsüber meinen Verpflichtungen im „Brotberuf“ nachkomme und dann in den Abend- und auch Nachtstunden schreibe. Im Urlaub, an Wochenenden oder Feiertagen sieht das wieder anders aus – da schreibe ich dann zu jeder vorstellbaren Tages- oder Nachtzeit. Da bin ich meiner geduldigen und duldsamen Frau zu größtem Dank verpflichtet, die mich sehr unterstützt – bisweilen kopfschüttelnd.

Boris Greff, Schriftsteller

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?

Humanität! Mensch bleiben angesichts aller Unmenschlichkeit, die uns umgibt; trotz Krieg, Pandemie und allgemeiner Unruhe dürfen wir nicht die Menschlichkeit preisgeben, nicht dem Hass und dem Extremismus in die Falle gehen. Den Horizont weiten, trotz aller Engstirnigkeit. Trotz aller Zweifel auch im Zweifelsfall nicht verzweifeln.

Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?

Wesentlich ist für mich, dass wir die Technik beherrschen und nicht die Technik uns; dass wir Natur und Technologie miteinander in Einklang bringen, ebenso Geistes- und Naturwissenschaft. Das wird viel zu oft gegeneinander ausgespielt.

Kunst bedarf der Unterstützung, der Förderung, der geeigneten Rahmenbedingungen – das wird manchmal so verklärt gesehen, der arme Künstler, die Boheme, das Leben unter Entsagungen, aber dennoch glücklich, da von der Muse geküsst – aber materielle Sicherheit brauchen wir alle, egal wie spirituell wir sind, und Kunst ist zwar eine große Freude, eine tiefe Erfüllung – aber harte Arbeit. Dabei denke ich, dass vor allem die Kunst es uns ermöglicht, menschlich zu bleiben, und nicht zu raubtierkapitalistischen Technokraten zu degenerieren. Kunst ist in meinen Augen ein menschliches Grundbedürfnis, schon die Urmenschen bemalten die Wände ihrer Höhlen, schlugen die Trommeln und benutzten ihre Stimmbänder. Die Kunst gegen wirtschaftlichen und technologischen Fortschritt auszuspielen und immer mehr zu beschneiden, ist kurzsichtig, jede Form des gesellschaftlichen Fortschritts bedarf der Dichter und Denker, der Musiker und bildenden Künstler – ohne Kunst kann man vielleicht eine zeitlang überleben, aber wahre Lebensqualität birgt vor allem die Kunst, die Kreativität, die Liebe zu allem Schönen, und nicht Macht, Gewalt oder Finanzkraft.

Was liest Du derzeit?

Derzeit viel Lyrik und Poesie: Federico García Lorca, Friederike Mayröcker, Werner Fritsch, Durs Grünbein, Kathrin Niemela, Jan Wagner, Heinrich Heikamp, Uwe Kraus – dazu noch allerlei Anthologien, gedruckt und online, auch ganz unbekannte Künstlerinnen und Künstler in den sozialen Netzwerken – da gibt es viel zu entdecken. Neben den unvergänglichen Namen, die ich immer wieder konsultiere: Goethe, Schiller, Mörike, Trakl, Benn, ach, und so viele mehr. Jede Nennung tut mindestens einem Dutzend nicht genannter, toller Schriftsteller großes Unrecht. Was Romane angeht, lese ich derzeit von Alex Capus „Susanna“.

Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?

Als Entschädigung dafür, dass ich mich selbst zitiere, möchte ich der geneigten Leserschaft gerne ein Gedicht aus meinem ersten Lyrikband „Augenblicke und Wimpernschläge“ (Treibgut Verlag, Berlin, 2021, S. 69) schenken:


„Kratz an den Wolken“ 

Vogelgesänge, die in vertikalen Schlangenlinien leise tönen,

dort, wo tagsüber dröhnende Baumaschinen dröhnen;

in Asphalt, Glas und Stahlbeton

stürmen wir senkrecht der Natur davon,

jagen immer höheren Himmeln nach,

roden alle Träume, liegen innerlich brach.

Und wenn uns auch tausend Höllenfeuer lodern:

wir möchten alle gerne modern vermodern.

Vielen Dank für das Interview lieber Boris, und viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Literaturprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute! 

5 Fragen an Künstler*innen:

Boris Greff, Schriftsteller

https://www.borisgreff.de/

Foto_privat

30.10.2022_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.

https://literaturoutdoors.com




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