Liebe Ditha, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Ich bin sehr zurückgezogen – an meinem Schreibtisch mit Blick in meinen schönen Garten. Denn ich arbeite am zweiten Buch meiner Romantrilogie – das erste ist gerade erschienen und steht vor meiner Nase. Das zweite soll jetzt im gleichen kreativen Spannungsbogen bald fertig werden.

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
… Dass wir die laufenden Krisen bewältigen. Dazu muss sich aber das gemeinschaftliche Bewusstsein noch schärfen: es wird zu viel über Krieg geredet und zu wenig über die Pfade und die differenzierten Mittel zum Frieden, es wird viel über Klimakrise spekuliert, aber nur einzelne politische Fragen spießt man dazu auf – anstatt dass wir uns das Gesamtkunstwerk Weltrettung anschauen. Und begreifen.
Vor einem Aufbruch werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?
Das von mir vorhin skizzierte Weltbewusstsein – also der Begriff jeder einzelnen von uns, wie wir diesem Wunderwerk Welt gegenüberstehen – ist nicht einfach zu fassen. Aber notwendig. Die Literatur kann durch nacherlebbare Szenen, durch Worte mit reichen, semantischen Räumen, durch das Erfassen vom Wesen einzelner Biografien… sozusagen gedankliche Festpunkte schaffen, zwischen denen die Leserinnen und Leser ihre Gedanken spannen können.
Was liest Du derzeit?
Die Biographie von Arthur Köstler
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
Literatur ist durch die Sensibilisierung der Herzen ein Instrument zum Denken.
Vielen Dank für das Interview liebe Ditha, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Literaturprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
5 Fragen an Künstler*innen:
Ditha Brickwell, Schriftstellerin
Auf YouTube: Politik und Poesie
Literaturtangente Wien-Berlin
Foto_privat
ENGELTREIBER – aktueller Roman
ab 31.1.23 Drava Verlag.

Ditha Brickwell lockt mit burlesk erzählten Lebensgeschichten das Welttheater des 20. Jahrhunderts auf die Bühne. Geführt von ihrer bildreichen Sprache fühlen wir Empathie für die handelnden Personen und begreifen die komischen Momente auf dem düsteren Urgrund
der Zeit. Die Perlenfädlerin Genoveva und der heranwachsende Leo erzählen einander von ihrer Not und tapferem Überleben in zwei Epochen; und wir ahnen den Ursprung unserer heutigen Krisen – wie die apokalyptischen Reiter brechen sie hervor: Pandemie,
Hunger, Krieg … und der Sieg der bösen Clowns …
Engeltreiber ist der erste Band der Trilogie Dunkelreise – eine Familiengeschichte über hundert Jahre und deren Zeitbrüche. Wir begegnen starken Frauen und fantasievollen Jugendlichen, die – von der Gesellschaft an den Rand gedrängt – sich aus ihren Zwängen befreien. Sie entkommen Hunger und Entbehrung im Krieg, der Verfolgung in der
Zeit des Nationalsozialismus und den Härten der Nachkriegsgesellschaft. Die essayistisch-ironischen Kommentare der Erzählfigur Leo lassen uns Kälte und Einsamkeit in der Kindheit und Jugend von damals spüren, die über Generationen weitergegeben wurde.
Ditha Brickwell, Engeltreiber.
Im Hohlspiegel zweier Biografien erscheint das Schicksal zweier Epochen.
Roman, Drava Verlag. ca. 140 Seiten, gebunden, Lesebändchen
EUR 21,00 • ISBN 978-3-99138-006-1
Zur Person_Bibliographie
Ditha Brickwell ist 1941 in Wien geboren und dort aufgewachsen; nach Studien der Architektur, der Regionalplanung und der Bildungsökonomie in Wien, Berlin und New York, arbeitete Ditha Brickwell in Paris, Tel-Aviv und Helsinki und ab 1970 in Berlin. Die große Stadt war ihr Thema: Mit dem Ziel wirtschaftliche Dynamik in verarmte Stadtviertel zu bringen, wirkte sie auch in internationalen Gremien und Arbeitsgruppen mit und ist als Beraterin der EU Kommission in Europa weit herumgekommen. Seit 1988 schreibt und publiziert sie literarisch, seit 2005 wirkt sie als freie Schriftstellerin.
Ditha Brickwell schreibt Romane, Erzählungen und Essays und publiziert in
österreichischen Verlagen, Zeitschriften und Anthologien. Bislang sind zwölf Bücher erschienen, vier Romane sowie Erzählungen und Essays, im Herbst 2020 „Wir, der Feind von uns – Nachdenken über Grundfiguren unserer Angst“, eine Essay-Sammlung im Passagen Verlag Wien.
2019 erschien im Drava Verlag die Novellensammlung „Die Welt unter meinen
Zehen – Geschichten aus 100 Jahren“ sowie 2018 der Roman „Fedjas Flucht“, eine
Geschichte aus dem slowenischen Bürgerkrieg mit bestürzender Aktualität heute. Im
Februar 2009 erschien die Novelle „Verletzte Paradiese“ (Mandelbaumverlag, Wien),
ein schwarzes Märchen über den kulturellen Zusammenstoß eines Deutschen und
einer alten Wienerin in den Weinbergen des Kahlenberges. Im Essay-Roman „Die
Akte Europa – eine Utopie geht verloren“ (Wieser Verlag, Klagenfurt 2007) entblößt
Ditha Brickwell die verderblichen Züge unserer Wirtschaftsgesellschaft im Gegensatz
zur Utopie einer Menschengesellschaft. In dem Novellenband „7 Leben“ (Freimut &
Selbst, Berlin 2005, Zweite Auflage 2010) findet Ditha Brickwell für alltägliche
Menschenleben die je besondere Melodie. 2003 zeigt das Essay „Vollendete
Sicherheit“ (Mandelbaum Verlag) den Umschlag in die Katastrophe. Der Roman
„Der Kinderdieb“ (Deuticke 2001) spielt im düsteren Wien der fünfziger Jahre;
sorgfältig erkundete Ereignisse werden in eine erdichtete Erzählung verwoben. Der
Ditha Brickwell/+43 650 6641114/+49 1715582178/Email @ditha-brickwell.eu/www.ditha-brickwell.eu/Seite 2
Roman Angstsommer (Mandelbaum, 1999) erzählt von der Verzweiflung eines
Widerstandskämpfers und von den Schrecken und Burlesken im Vakuum der Macht
nach dem großen Krieg im Jahr 1945 in Ober-Österreich. Drei Künstlerbücher mit
Texten von Ditha Brickwell – Jede Stunde Stille Nacht, Zahlen!, Vollendete
Sicherheit – erschienen in der Mariannenpresse, Berlin und in der Quetsche, Verlag
für Buchkunst, Witzwort. Zahlreiche Essays und Erzählungen veröffentlichte Ditha
Brickwell in Zeitschriften und Anthologien.
In literarischen Werkstattgesprächen (gefördert unter anderem durch Bund,
Magistrat Wien, Wiener Gemeindebezirke, GAV und den Senat von Berlin) lädt
Ditha Brickwell seit 2010 Schriftstellerkollegen und -kolleginnen ein, anhand ihrer
Texte über das Schreiben im politischen Kontext zu reden, zunächst unter dem
Motto „Geschichte in Geschichten“ und dann unter dem weitergreifenden
Themenkomplex „Politik & Poesie“. Die Veranstaltungen stehen auch im Kontext
der Literaturtangente Wien-Berlin (kofinanziert durch Berliner Stiftungen,
Bezirksämter, bzw. durch das Österreichisches Kulturforum). Um diese Ereignisse
einem breiteren Publikum zu erschließen, fanden diese Gespräche mehrmals an
besonderen Orten (Off-Theater, Kulturzentrum für Migranten etc.) statt – ergänzt
durch musikalische Interpretationen. Themen der letzten Jahre waren „Aus der
Fremde“, „In der Not, die Frauen!“, „Die Spur der Kinder“. In 2020 lautete es:
Bodenlos.
Ditha Brickwell hat von 2000-2009 überdies die Literaturredaktion der Berliner
Straßenzeitung „Die Stütze“ betreut – unter dem Titel „Denkzone“.
Ditha Brickwell ist Mitglied in der Grazer Autorinnen Autoren Versammlung
(GAV), der Literar Mechana, der IG Autoren Wien und des Internationalen PEN
Zentrums Deutschland.
24.1.2023_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.