Lieber Kevin, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Mein künstlerisches Leben ist geprägt von einer Art Dualismus. Es gibt sehr produktive Zeiten, in denen sich oft mehrere Projekte überlappen und mich sehr fordern. Dazwischen entsteht dann aber immer wieder eine Art „Zwischenstopp“, also eine ruhigere Phase, die ich zur Regeneration und Evaluierung nutze.
Diese Unstetigkeit ist einerseits natürlich etwas Schönes. Gerade für eine Persönlichkeit, wie die meine, die ständig nach Neuem sucht und sich nicht im Wiederholenden abnutzen möchte, ist es wunderbar immer wieder neue Menschen kennen zu lernen, neue Geschichten zu erzählen und gemeinsam etwas Einzigartiges zu erschaffen.
Andererseits sind die Phasen dazwischen immer wieder eine Herausforderung an das eigene Selbstbild. Stichwort: Evaluierung. Als selbstkritischer Mensch stelle ich mir in ruhigen Momenten natürlich Fragen wie „Wo will ich als Künstler hin?“ „Bin ich auf dem richtigen Weg?“ „Interessiert das, was ich zu bieten habe, irgendjemanden?“ In Zeiten von Instagram natürlich auch „Wieso drehen alle anderen häufiger als ich?“
Dann tröstet mich die Einsicht, dass ich mich gerade in einem Wellental befinde, auf das immer wieder ein Wellengipfel folgen wird. Und, dass es vielen Kollegen, mit denen ich darüber gesprochen habe, ähnlich ergeht. Es gehört einfach zum Job. Genauso wie die mittlerweile überhand nehmenden E-Castings.

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Während der Pandemie war es wichtig, auf unsere Gesundheit und die der anderen zu achten. Eine vergleichsweiße einfache Aufgabe.
Mittlerweile stehen wir am Beginn einer wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Krise der westlichen Hemisphäre, die das Leben jedes Einzelnen schon jetzt verändert und noch viel stärker verändern wird. Von der Klimakrise ganz zu schweigen. Vieles, was für unser gesamtes Leben bisher selbstverständlich war, wird sich verändern oder ganz verschwinden. Das Außen wird unsicher und vage.
Ich denke deshalb, dass jetzt zwei Dinge für uns alle besonders wichtig werden: Zum einen sollten wir unsere Bedürfnisse und Sicherheiten wieder vom Außen ins Innen transferieren. Wenn wir unabhängig von einer sich ständig stark verändernden und deshalb teilweise auch bedrohlichen Welt sein wollen, dann müssen wir in uns einen Raum schaffen, der unabhängig ist von äußeren Einflüssen. Viktor Frankl wusste, wie das geht.
Zum Anderen, müssen wir uns unsere Ziele enger stecken. Die Zeiten von „Du kannst alles werden, wenn du es dir nur selber eindringlich genug einredest“ sind vorbei. Je mehr Variablen in die Gleichung kommen, desto konkreter sollten die Konstanten sein.
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei dem Theater/Schauspiel, der Kunst an sich zu?
Die Kunst als Funke des Moments hat die magische Fähigkeit aus Nichts Etwas zu erschaffen, und diese Fähigkeit hat uns immer schon durch schwierige Zeiten geholfen, weil sie uns auf der sublimsten Ebene verbindet. Eine Ebene, die ohne alles auskommt.


Die Kunst vergangener Zeiten kann uns aber auch helfen, Ereignisse, die auf uns zukommen, richtig einzuordnen. Wir können von den Erfahrungen unserer Vorgänger lernen, können Trost aus den Beschreibungen ihrer Erlebnisse ziehen.
Und die Kunst als in Beziehung setzendes Medium wird uns auch beim Einordnen und Verarbeiten helfen.
Was liest Du derzeit?
Ich habe vor kurzem ein Buch wieder zur Hand genommen, dass ich vor langer Zeit zu lesen begonnen, aber nie beendet hatte: Stefan Zweigs – Die Welt von gestern. Nun scheint der Zeitpunkt richtig zu sein, es fertig zu lesen.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
Keinen klugen Satz eines weisen Autors, sondern die Worte meiner leider schon lange verstorbenen Großtante Mimi – simpel, aber mächtig: „Wer waaß wofür’s guat woa?“ (Wer weiß wofür es gut war?)
Vielen Dank für das Interview lieber Kevin, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Theater-, Schauspielprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
5 Fragen an Künstler*innen:
Kevin Krennhuber_Schauspieler, Sprecher und Musiker
Zur Person_ Kevin Hermann Krennhuber wurde in Linz geboren. Kindheit und Jugend verbrachte er in Oberösterreich. Nach der Matura am Stiftsgymnasium Kremsmünster führte ihn sein Weg zuerst als Kameramann zum TV danach als Moderator zum Radio.
2011 schloss er das Studium der Allgemeinen Sprachwissenschaft in Wien mit Diplom ab. Es folgte eine mehrjährige Schauspielausbildung und schließlich 2017 die paritätische Bühnenreife. Kevin Krennhuber ist als Sprecher vor allem auf ORF III und Servus TV zu hören, zu sehen war er zuletzt im Theaterforum Schwechat als Major Petkoff in G. B. Shaws „Helden“.
https://www.kevinkrennhuber.com/
Foto Portrait_Cherie Hansson; Szenenfotos „Helden reloaded“ Walter Pobaschnig.
21.12.2022_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.