„Kunst bietet die Escape Rooms der Menschlichkeit, die wir verteidigen müssen“ Isa Tschierschke, Schriftstellerin _ Detmold/D 9.1.2023

Liebe Isa, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?

Zwischen den Jahren hatte ich Grippe. Das Timing war also perfekt. Jetzt kann’s weitergehen. Morgens Schreiben, nachmittags Lesen. Dazwischen das, was man halt so machen muss. Und Facebook. Weil ich so interessante neue »Freunde« habe, darunter viele Autorinnen und Autoren, verbringe ich viel Zeit auf Facebook und gucke mir an, was die anderen für spannende Sachen machen. Manche Ideen sind so gut, dass sich »Teilen« manchmal wie »Klauen« anfühlt.

Isa Tschierschke, Schriftstellerin

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?

Eben dieses neu Vernetzen. Wenn andere Sicherheiten wegbrechen, muss ein neues Gefühl der Verbundenheit her. Auch wenn es zunächst nur oberflächlich ist.

Vor einem Aufbruch werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?

Die Kunst bietet die Escape Rooms der Menschlichkeit, die wir verteidigen müssen. Vor allem müssen wir den Wert des künstlerischen Schaffens an die Kinder weitergeben. Als Mittel der Resilienz, das man dem ökonomischen Würgegriff entgegensetzen kann. Viele Eltern schauen zu ängstlich nur auf die ökonomische Verwertbarkeit der Talente ihrer Kinder. So, wie sie es bei sich selbst auch tun im Sinne optimaler Selbst-Verwertung.

Was liest Du derzeit?

Das Jahr ging mit »Das Leuchten der Rentiere« von Ann-Helén Laestadius zu Ende, einer samischstämmigen Autorin, die ich sehr mag. Ich lerne seit 2 Jahren Schwedisch und ihre Jugendromane kann sogar ich schon im Original lesen. Das neue Jahr begann mit »Das andere Mädchen« von Annie Ernaux und als nächstes kommt dann »Innigst« (»Dearly«), Margaret Atwoods Gedichtsammlung in der Übersetzung von Jan Wagner. Ich habe die beiden im Gespräch beim Literaturfestival in Berlin gesehen und war gerührt, wie sie harmonierten. Ich bewundere Übersetzer – die von Lyrik sowieso! Für die Art von Arbeit muss man ein unglaublich gut aufgeräumtes Gehirn haben. Mir würde alles durcheinander geraten.

Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?

»Die Welt wird euch nichts schenken. Wenn ihr ein Leben wollt – stehlt es!«. Das hat Lou Andreas-Salomé gesagt (und getan).

Vielen Dank für das Interview liebe Isa, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Literaturprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute! 

Bitteschön und viele interessante Verbindungen im neuen Jahr!

5 Fragen an Künstler*innen:

Isa Tschierschke, Schriftstellerin

Foto_privat

4.1.2023_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.

https://literaturoutdoors.com

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