Lieber Gero, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Nach dem Aufstehen in Ruhe frühstücken, dann zur Arbeit. Der Weg von Haustür zu Haustür ist in 110 Minuten zu bewältigen. Ich bin in einem Seniorenheim tätig und erlebe viele Situationen, die mich inspirieren. Den Arbeitsweg nutze ich häufig für mein Training, es entstehen viele Haiku. Wenn die Energie nicht verbraucht ist, formuliere ich noch ein wenig und schreibe die Gedanken nieder oder ich arbeite an einem Bild. An erster Stelle steht für mich jedoch der Austausch mit meiner Frau.

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Bei aller Unruhe und Unsicherheit sollten wir uns der hervorragenden Erkenntnisse vorheriger Generationen erinnern, Schwierigkeiten gab es schon immer und auch deren Lösung. Am wenigsten nutzt Panikmache. Klarheit und Konsequenz sind m.E. erforderlich.
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?
Kunst als Ganzes, hier sehe ich alle Genres, ist wichtig für die Aufklärung, den Humor, die Stille und die Ablenkung. Wenn die Kunst stirbt, stirbt das Menschliche in uns. Die Stilllegung der Kunst in der ersten Phase der Pandemie hat das verdeutlicht und das sollte nie wieder geschehen. Mit dem Beginn des Krieges in der Ukraine ist auch hier klar geworden, was Kunst vermag. Das ist in vielen aktuellen Ausstellungen und in Veröffentlichungen erkennbar, welche durch osteuropäische Künstlerinnen und Künstler bereichert werden.
Was liest Du derzeit?
Thomas Collmer „Pfeile gegen die Sonne – Der Dichter Jim Morrison„ und Lawrence Ferlinghetti „Little Boy“. Es ist ein wenig Flucht ins Vergangene, jedoch auch sprachliche Lust am Wort. Außerdem lese ich verschiedene Veröffentlichungen befreundeter Lyrikerinnen und Lyriker mit großer Freude.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
„Beginne dort, wo du bist, warte nicht auf bessere Umstände. Sie kommen automatisch in dem Moment, wo du beginnst.
Dieses Zitat von Petra Kelly ist mein Antrieb.
Vielen Dank für das Interview lieber Gero, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Literaturprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
5 Fragen an Künstler*innen:
Gero Ulbricht, Schriftsteller
Foto_privat
21.11.2022_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.