„Als Freelancer in der Kunstszene ist man sich für nichts zu schade“ Katharina Holzweber, Choreografin _ St.Pölten 12.12.2022

Liebe Katharina, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?

Einerseits sehr zerstreut, andererseits immer wieder aufs Neue spannend.

Ich pendle momentan mit meiner Forschungsarbeit zwischen der Musik- und Kunstuniversität der Stadt Wien (MUK) und der Universität Wien/ Fakultät für Physik hin und her, bin an 2 Tagen in der Woche in niederösterreichischen Musikschulen tätig und leite momentan auch gemeinsam mit einer sehr lieben Tanz-Kollegin eine Community- Klasse im Festspielhaus St.Pölten.

An den Wochenenden bin ich meistens eingeteilt – entweder sind es Tanzaufführungen oder Visual Artist Projekte in diversen Clubs. Mein Tagesablauf ist meistens sehr schwer Außenstehenden zu erklären, darum versuche ich es auch oft gar nicht oder stelle mich  je nach Situation nur mit einem Teil davon vor. Diese Zerstreutheit kommt daher, weil ich Tanzpädagogik als auch Physik studiert habe und immer wieder nach Querverbindungen suche. Momentan gelingt mir das mit einem vom FWF (Österreichischer Wissenschaftsfond) geförderten Wissenschaftskommunikationsprojekt, das versucht, physikalische Themen mit dem Medium Tanz zu verbinden und zu kommunizieren; daher auch die Kooperation zwischen der Universität Wien und der MUK. Auch zwischen Tanz und Visuals Arts gibt es immer wieder Kunstsparten-übergreifende Projekte.

Katharina Holzweber, Choreografin, Tänzerin, Tanzpädagogin

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?

Das ist eine schwere Frage und sicherlich nicht objektiv beantwortbar. Wir schlittern ja momentan von einer Krise in die nächste. Da jede Lebenslage anders ist, sind auch die momentanen Sorgen individuell. Spürbar am meisten ist momentan sicherlich die hohe Inflation. Ich frage mich dann immer am Ende des Tages, wie viel Budget wird in Zukunft noch für Kunst und Wissenschaft übrig bleiben und merke persönlich auch, dass die junge Generation eher wieder krisenfeste Jobs anstrebt. Ich kann es ihnen auch nicht verübeln, denn als Freelancer in der Kunstszene gibt es so was nicht wie bezahlten Krankenstand, Urlaubsgeld oder unbefristete Verträge. Ein Großteil der Arbeit ist auch nicht die künstlerische Arbeit selbst, sondern alles was drum herum geschehen muss, wie Konzepte einreichen, Probenplan erstellen, Räume organisieren, Kalkulationen & Verträge ausarbeiten bis hin zum Auf- und Abbau der Bühne und der Ton- und Lichttechnik. Man ist sich für nichts zu schade und packt überall gleich mit an.

Aber um auf deine Frage zurückzukommen. Ich persönlich hatte sehr mit mir zu kämpfen in der Corona-Zeit und ich glaube so ging es vielen, die einfach gerne unter Menschen sind und mit ihren Mitmenschen gemeinsam Projekte gestalten oder einfach eine Berührung, eine Umarmung oder einen „Schulterklopfer“ sehr wertschätzen.

Ich hatte das große Glück, dass ich gleich nach dem letzten Lockdown Ende 2021 ein wahnsinnig, tolles Projekt im Festspielhaus St.Pölten als Tanzcoach und Choreographic Advisor in Angriff nehmen durfte. Es ging um ein Mega-Tanzprojekt mit über 100 Teilnehmer*innen, die gemeinsam mit einem kanadischen Choreografen zeitgenössische Line Dance Stücke erlernten und im Juni dieses Jahres zur Aufführung brachten. Die Dynamik, der Ehrgeiz und vor allem das wertschätzende Miteinander dieser großen Gruppe war unglaublich.

Ich kann mich noch sehr gut an einen Augenblick erinnern, als eine Tänzerin wegen einer sehr emotionalen Botschaft im Vertrauen zu mir kam. Ich habe sie wortlos einfach nur lange umarmt, weil ich instinktiv genau wusste, dass das jetzt gebraucht wird. Viel später wurde mir erst bewusst, dass diese Umarmung eigentlich auch mir gut getan hat. Ich glaube vor dieser Aufgabe stehen wir Künstler*innen, Kulturvermittler*innen und vor allem auch Tanzschaffende/Tanzpädagog*innen, die ja speziell mit dem Körper, Berührungen, körperliche Nähe und Distanz zu anderen etc. arbeiten und  zwar wieder das herzustellen was wir einmal als normal angesehen haben – ein Körper, der viel mehr sein kann als nur Oberfläche für Viren.

Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Musik, der Kunst an sich zu?

Ich bin mir nicht ganz sicher, ob es ein allzu großer Aufbruch oder Neubeginn sein wird. Wie oben bereits erwähnt ist Kunst und Wissenschaft sicherlich das Letzte worauf nach einer Krise geschaut wird. Aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt…

Was liest Du derzeit?

Das sind ausgedehnte Phasen bei mir. Manchmal kippe ich in ein Buch, manchmal höre ich aber auch nur diverse Dokus zum Einschlafen. Momentan sind es verschiedene Arte-Dokus. Den letzten Essay, den ich mit Begeisterung verschlungen habe, war: Die Vereindeutigung der Welt: Über den Verlust an Mehrdeutigkeit und Vielfalt (Thomas Bauer).

Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?

„Ich denke, es ist viel interessanter, in Unwissenheit zu leben, als Antworten zu haben, die falsch sein könnten“ – Richard Feynman

Katharina Holzweber, Choreografin, Tänzerin, Tanzpädagogin

Vielen Dank für das Interview liebe Katharina, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Tanz-, Kunstprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute! 

5 Fragen an Künstler*innen:

Katharina Holzweber, Choreografin, Tänzerin, Tanzpädagogin

Fotos_Daniel Eberhöfer

5.12.2022_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.

https://literaturoutdoors.com

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