„maximal tohuwabohuös“ Katja Brunner, Schriftstellerin _ Wallisellen/CHE 17.10.2022

Liebe Katja, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?

Aktuell sieht mein Tagesablauf leider maximal tohuwabohuös aus. Zwischen Arbeitsrückständen aufarbeiten und dem Flitter des Neuen, noch nicht Getanen, noch nicht Geschehenen herumrauschen, es steht und fällt irgendwie alles und nix. Aber jeden Tag Rote Beete Saft, immerhin das an der offenbar heilsamen Routine.

Zu Beginn der Pandemie fiel mir ein rigoroses Strukturregiment leicht, jetzt zerfasert grad alles – oder nein, ist schon zerschnitten daliegend ohne Sinn und Verstand. Eigentlich ist dann jeder Tag ein Tanz um jenes, was da liegt, sinn – und verstandslos, aber der geheimen Logik komm ich vielleicht noch auf die Schliche/Sprünge oder so. Also eigentlich hoffe ich jeden Tag. Und wenigstens tanze ich dabei.

Katja Brunner, Schriftstellerin

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?

Ich glaube, so im Hausflurrahmen: Der liebe Gruss, das nette Wort, das niemanden was kostet, aber die meisten irgendwie der Gutgeartetheit der gemeinhin als Welt erfassten Schichten versichert.

Sonst jenseits des Herumwandelns als konkreter Körper in Strassen, Ubahnen, Hausfluren etc: Ich glaube, sich nicht von der Angst packen zu lassen, die gerade agitativ kursiert, sich von ihr bestenfalls den nötigen Antrieb geben zu lassen, aber nicht die Nervosität, das Antizipieren des Aufpralls sekündlich vor Augen zu haben. Dazu zählt vielleicht: Nicht im Hasenbau des Medienkonsums zu verschwinden – und positiv formuliert: Umsicht, Gütigkeit, Versöhnung. (bald werd ich hier religiös ohje), aber mir ist es ernst: Rückversicherung im Jetzt, es steht nicht die Apokalypse bevor und Zorn kann heilig sein & vor allem produktiv.

Vor einem Aufbruch werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?

Oh, es fällt mir stets schwer, solche großen Fragen irgend halbwegs adäquat zu beantworten, bin ich selber hilflos vor den Toren der Ahnung über die Dimension meiner eigenen Unwissenheit, also erstens: Vielleicht diese Unwissenheit / aufkeimende absterbende Ratlosigkeit nicht schlimm zu finden?,

Zweitens, Kunst: Die große Retterin! Die Versöhnerin! Die Ebnerin, wenns ruppig ist und Ruppigerin, wenn s zu eben ist! Ihre fortwährende Fähigkeit, Empathie zu boosten, Neugier zu kultivieren, all die angelebten Leben, all die gefundenen Bilder für diffus Empfundenes. Die ganze verdammte dunkel lockende und hell türmende Vielfältigkeit der Möglichkeiten von Kunst, diese zu schätzen, das ist so ein evergreen.

Was liest Du derzeit?

Aktuell vornehmlich Gedichte: Querbeet durch Majakowski und Langgedichte von Pasolini (Wer ich bin). Und Comics aus der Reihe RACHEL RISING. Und Deborah Levy! Preziosen sind das. Und Rachel Cusk.

Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?

Hélène Cixous: „It is easy to love and sing one’s love. That is something I am extremely good at doing. But to be loved, that is true greatness. Being loved, letting oneself be loved, entering the magic and dreadful circle of generosity, receiving gifts, finding the right thank-you’s, that is love’s real work.“

Vielen Dank für das Interview liebe Katja, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Literaturprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!

Sehr gerne!

5 Fragen an Künstler*innen:

Katja Brunner, Schriftstellerin

https://katjabrunner.com/

Foto_Diana Pfammatter

6.10.2022_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.

https://literaturoutdoors.com

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