Lieber Raphael, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Ich stehe um 6:30 auf und werde von meiner Katze niedergekuschelt. Das ist mittlerweile zu einem morgendlichen Ritual geworden und dem muss natürlich genug Zeit gewidmet werden, damit Bella (meine Katze) einen guten Start in den Tag hat. Danach trinke ich Kaffee und meditiere. Und dann beginnt der kreative Teil, in dem ich an diversen Projekten arbeite, dabei kommen meistens Drehbücher, neue Fotos, Videos – oder Kurzgeschichten heraus (von den Romanen sprechen wir an dieser Stelle mal nicht). Dazu kommt eine halbe Stunde Sprechtraining und dann oft mein Muggle – Job, also der Job, den ich neben dem Schauspielen und Schreiben verfolge da es, seit uns Corona wie ein riesiger Meteorit erwischt hat, nicht mehr ganz so einfach ist rein von der Kunst zu leben. Und abends schleppe ich mich jeden zweiten Tag noch zum Karatetraining – Körper und Geist müssen frisch gehalten werden. Dazu kommen noch Schauspielunterricht, Proben und Castings, die aber meistens gut über den Tag verteilt sind.
Wenn der Tag besonders lang war, belohne ich mich oft mit einer meiner Lieblingsaktivitäten, dem Lesen in der Badewanne. Momentan ist es allerdings mehr zu einem Lesen auf der Couch geworden, da eine volle Badewanne, während der Strom- und Gaskriese mehr und mehr zu einem Luxusgut verkommt.

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Ich denke ein gutes Mindset ist, wie schon immer im Kunstbereich, das Nonplusultra. Ich habe schon so viele Freunde / Kollegen gesehen, die mit ihren selbst auf die Beine gestellten Projekten Großartiges vollbracht und ihren Durchbruch geschafft haben. Also einfach dranbleiben, lächeln und nicht vergessen Freunde und KollegInnen zu inkludieren. Weil 1. ist es viel leichter gemeinsam Großes zu vollbringen und 2. ist es auch viel netter und 3. die anderen freuen sich.

Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei dem Theater/Schauspiel, der Kunst an sich zu?
Die Kunst selbst hat eine Spiegelwirkung, sie reflektiert das aktuelle Geschehen, oder den Zeitgeist, oder wie auch immer man das nennen mag. Wir als Künstler haben die Möglichkeit Schwierigkeiten, Brennpunkte und Events aufzugreifen und in unseren Werken aufzuarbeiten. Das ist meiner Ansicht nach, neben dem erholenden Effekt von Kunst – den darf man natürlich nicht außer Acht lassen, der wichtigste. Man überlege nur was für eine unglaubliche Aktualität das Stück „Die letzten Tage der Menschheit“ gerade hat – und das wurde 1922 geschrieben von einem Künstler (Karl Kraus), der seine Erfahrungen weitergeben wollte. Wir haben als Künstler die Chance mit unserem Publikum gemeinsam zu reflektieren und damit auch Spannungen zu lösen, Wege aufzuzeigen und Gedanken- und Lernprozesse auszulösen. Das heißt wir haben eine riesige Verantwortung zu tragen. Jetzt wollen wir natürlich alle spielen und zeigen was wir können und werden von mangelnder Präsenz, mangelnder Zeit und mangelnden Jobangeboten (ja, wir sind viele) aufgehalten.

Und natürlich bleiben auch die Theater und Produktionsfirmen nicht von den aktuellen Krisen verschont und damit werden die Jobs ein wenig rarer – aber genau das gibt uns eine Chance, die ich wirklich hervorheben möchte: Macht euer eigenes Ding. Es ist jetzt genau die Zeit, um das Projekt, das ihr schon immer machen wolltet ins Leben zu rufen. Dreht den Film, den ihr schon immer drehen wolltet. Schreibt das Drehbuch, das ihr schon immer spielen wolltet. Habt Spaß dabei und arbeitet im Team – Kunst ist, auch wenn wir das manchmal gerne so sehen, kein Einzelsport. The Rise of the Artists – ich denke es wäre eine gute Zeit diesen Titel in die Tat umzusetzen.

Was liest Du derzeit?
Ich lese momentan drei Bücher: „Creating Character Arcs” – K.M. Weiland, (1. Fortbildung ist wichtig 2. Muss ich noch ein paar der Charaktere meines Fantasy Buchs überarbeiten). „Auditioning for Film and Television” – von Nancy Bishop (Fortbildung) und „Eric” – Terry Pratchett (Als Sprechtraining [laut vorlesen] und Nahrung für die Seele).

Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
We all die. The goal isn’t to live forever, the goal is to create something that will. ~ Chuck Palahniuk, Diary

Vielen Dank für das Interview lieber Raphael, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Schauspielprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
5 Fragen an Künstler*innen:
Raphael Stompe, Schauspieler
Fotos_1 privat; 2,3,4,6 Mihael Wuzem; 5 LeoDang.
6.10.2022_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.