Lieber Eberhard, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Aufwachen, nach Traumresten fragen, in den blauen Himmel schauen. Eventuell schon ein paar Sätze notieren. Dusche, Kaffee, Müsli oder Toastbrot. Arbeit am Schreibtisch, bis ich einigermaßen mit mir selbst zufrieden bzw. auf der Höhe meiner eigenen Vorstellungen bin.
Fragen, ob ich Freunden eine Mail schreiben kann. Alltagsdinge: Einkaufen, Sachen erledigen. Mineralwasser in den Kühlschrank legen.

Literaturwissenschaftler, Übersetzer, Literaturkritiker
Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Nicht die Nerven verlieren. Verstehen, dass die Anderen von der augenblicklichen Situation genauso genervt sind wie man selbst. Schöne Einfälle. Gesprächsfäden nicht abreißen lassen.
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?
Literatur, Kunst und Musik führen vor, was die Menschheit Großartiges und Erhabenes geleistet hat, und geben uns Kraft, uns für die Erhaltung und Bewahrung der Schöpfung einzusetzen.
Was liest Du derzeit?
Heute trafen die „Notas. Unzeitgemäße Gedanken“ von Nicolás Gómez Dávila bei mir ein. Ich habe vor Jahren eine scharfe Kritik dieses umstrittenen Autors geschrieben und werde das neue Buch für eine Tageszeitung rezensieren. Ich werde auf der Notwendigkeit einer Kontextualisierung dieser Aphorismen bestehen, die teils abscheulich antidemokratisch, teils aber – in philosophischer bzw. theologischer Hinsicht – zumindest diskutabel sind. Der Philosoph Vittorio Hösle hat den großartigen Einfall gehabt, Gegenaphorismen zu Gómez Dávila zu schreiben, die soeben beim Verlag zu Klampen in Springe erschienen sind.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
Ein Zitat von Gómez Dávila, in dem er sich endlich einmal nicht arrogant, sondern bedürftig zeigt: „Es gibt Geister, die einsam genug sind, um sich in ihrem inneren Schweigen die Frucht ihrer Erfahrungen selbst mitteilen zu können. Doch ich gehöre nicht zu einer derart abweisenden Verstandesordnung; ich brauche das Gespräch, das sich dem schwachen Geräusch des Bleistifts zugesellt, wenn er über das unberührte Blatt gleitet.“
Vielen Dank für das Interview lieber Eberhard, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Literaturprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
5 Fragen an Künstler*innen:
Eberhard Geisler, Schriftsteller, Literaturwissenschaftler, Übersetzer, Literaturkritiker
Foto_Isabel Jasnau
11.8.2022_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.
Hab ich sehr gern gelesen. Inspirierende Beitrag, wie die meisten in diesem Blog
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