Liebe Marlou, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Ich habe das große Glück, direkt nach den ersten Lockerungen wieder auf der Bühne stehen zu dürfen. Mein Tagesablauf sieht dann so aus, dass ich morgens nach dem Aufwachen erst einmal versuche bei mir und meinem Körper „einzuchecken“. Zu erfahren: Wie geht es mir heute? Wofür bin ich heute dankbar und was /wer möchte ich heute sein?
Meist folgt darauf ein kleines Sportprogramm. Gerne eine Runde an der frischen Luft laufen, eine Yogasession oder ein intensives Home Workout. Je nachdem wie viel Zeit ich habe.
Nach dem Morgensport gönne ich mir eine Tasse Kaffee und ein ausgewogenes Frühstück. Erst dann kann der Tag so richtig starten.
Bin ich gerade in einer Probenphase, geht es für mich direkt danach weiter ans Theater zum Proben. 10:00-14:00 Uhr finden die Morgenproben statt und 18:00-22:00 Uhr die Abendproben.
Dazwischen ist dann Zeit für etwas Büroarbeit. Emails wollen bearbeitet und beantwortet werden. Deadlines für neue Bewerbungen müssen eingehalten werden. Oder neue Auditions/Vorspechen vorbereitet werden. Auch neues Vorsprechmaterial will erlernt werden. Eigentlich ist hier immer etwas zu tun.
Nach den Abendproben, fahre ich nach Hause und versuche vor dem Schlafen gehen den Tag noch etwas Revue passieren zu lassen.
Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich mich direkt nach der Pandemie wieder so in meiner Passion ausleben darf. Gleichzeitig habe ich manchmal das Gefühl, dass seit dieser Zeit alles auf einmal gekommen ist. Was ich vor der Pandemie mit einer Selbstverständlichkeit gemacht habe, herumreisen, drei Projekte gleichzeitig erarbeiten und noch für die nächsten Engagements vorarbeiten, scheint jetzt oft viel auf einmal. Es entsteht das Gefühl, dass ich die ganze Zeit hinterherrenne und kein Moment des Durchatmens entsteht.
Ich denke, es wird seine Zeit dauern, bis man wieder zu seinem alten Rhythmus findet. Oder einen neuen entwickelt hat.

Musicaldarstellerin, Tänzerin, Sängerin
Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Wir dürfen nicht die Menschen um uns herum vergessen. Wir sollten achtsam und wach bleiben, um auch die Gefühlszustände der Anderen mitzubekommen. Ich habe das Gefühl, viele sind seit den Lockdowns sehr auf ihren Alltag und ihr „Weitermachen“ fokussiert, zu lange wurden uns Dinge verboten. Wobei sie dann oft nicht merken, wie sie mit Mitmenschen umgehen oder sprechen. Gerade jetzt sollten wir doch ein Miteinander schaffen.
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei dem Theater/Schauspiel, der Kunst an sich zu?
Die Bühne war für mich immer ein Zufluchtsort, ein Ort an dem ich mich Zuhause gefühlt habe. Dieses Gefühl möchte ich an die Menschen weitergeben und mit ihnen für einen Moment auf eine Reise in eine andere Welt gehen. Das war auch schon mein Bedürfnis vor der Pandemie. Seit dieser ist dieses Gefühl jedoch noch mehr gewachsen. Kunst hat die Kraft, Menschen in deren dunkelsten Momenten zu verstehen, sie zu begleiten und sie wieder auf einen glücklicheren, helleren Weg zu führen. Ich habe das große Geschenk, dass ich ein Teil davon sein darf.

Was liest Du derzeit?
Gerade lese ich zwei Bücher:
„Wiedersehen im Café am Ende der Welt“ von John Strelecky
– zum Reflektieren
&
„Madame Bovary“ von Gustave Flaubert
– aus Neugierde
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
„Wir verwenden einen Spiegel, um unser Gesicht zu sehen. Wir brauchen die Kunst, um unsere Seele zu sehen.“ – George Bernard Shaw
Vielen Dank für das Interview liebe Marlou, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Schauspiel-, Kunstprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
Ich danke dir! 🙂
5 Fragen an Künstler*innen:
Marlou Düster, Schauspielerin, Musicaldarstellerin, Tänzerin, Sängerin
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Fotos_Tom Bünning
12.9.2022_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.