Liebe Eva, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
An einem durchschnittlichen Tag helfe ich morgens den Kindern (13 und 8), sich für die Schule fertig zu machen und arbeite die meiste Zeit von Zuhause für die Agentur, in der ich angestellt bin (35 h/Woche). Dabei wechsel ich manchmal zwei bis drei Mal am Tag den Scheibtisch bzw. Platz, je nachdem, wo mein Mann arbeitet und ob die Kinder auch zuhause sind.
Zu Schreiben versuche ich morgens zwischen 8:30 und 9 Uhr und manchmal abends und/oder am Wochenende. Manchmal habe ich Textbeprechungsgruppen abends oder schreibe noch Mails, die im weiteren Sinne mit dem Schreiben zu tun haben.
Ich muss zugeben, dass es mir gerade schwerfällt, die Frage zu beantworten, weil sich jeder Tag unterschiedlich anfühlt und ich jeden Tag kleine Sachen anders mache, ich esse selten zur genau gleichen Zeit, mal gehe ich mehr spazieren, mal weniger, mal verabrede ich mich in der Stadt oder zu Telefonaten, mal mache ich mehr Haushalts- und Gartenarbeit und Dinge mit den Kindern mal weniger. Manchmal schaue ich tagelang abends Serien, dann wieder gar nicht. Alle zwei Monate etwa bin ich eine Woche in Berlin und ich versuche, einmal die Woche in einen Coworkingspace in der Innenstadt von Uppsala zu gehen, weil mir auf Dauer doch die Decke auf den Kopf fällt und ich mich nachmittags, wenn die Kinder auch zuhause sind, schlecht konzentrieren kann.

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Ich glaube, Hoffnung und Freude nicht ganz zu verlieren und das auch an Kinder und Jugendliche zu vermitteln.
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?
Im Moment habe ich eher den Eindruck, dass der eigentlich nötige Neubeginn gar nicht kommt. Dass wir alle unter den täglichen Belastungen und der Fülle an schlechten Nachrichten leiden, von den Pandemiejahren geschwächt und nun deprimiert und verunsichert sind. Wir wissen, dass wir so nicht weiterleben können, aber nicht wie wir es als Einzelne oder in kleinen Gruppen verändern können.
Die Literatur und Kunst kann alles Mögliche, ablenken, trösten, inspirieren, verstehen helfen, irritieren, fordern.
Was liest Du derzeit?
Als letze Romane habe ich »Dschinns« von Fatma Aydemir und »Eufori« und »Snö och Potatis«, zwei schwedische Romane, gelesen. Gerade springe ich ein bisschen zwischen der Biografie »Sontag. Her Life and Work« von Benjamin Moser, dem Hörbuch »Against White Feminsm« von Rafia Zakaria und dem Lyrikband »Rückruf« von Marie T. Martin.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
»wie du Halme knickst, wenn du weitergehst / zurück zu den Häusern den Strommasten« (Marie T. Martin)
Vielen Dank für das Interview liebe Eva, viel Freude und Erfolg für Deine großartigen Literaturprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
5 Fragen an Künstler*innen:
Eva Brunner, Schriftstellerin
Kurzbio
Eva Brunner, *1980 in Siegen, lebt als freie Autorin und Angestellte der Berliner Kreativagentur Henkelhiedl in Uppsala/Schweden. Sie promovierte über „confessional poetry“ und veröffentlichte literarische Texte online, in Anthologien und Zeitschriften. Zuletzt erschienen ihr Lyrik-Debüt „Achtung, die Naht“ (parasitenpresse) und der kollaborative Gedichtzyklus „Die Mandarinenorakel“ zusammen mit Elke Cremer, herausgegeben von GE59. Sie schreibt regelmäßig für „Other Writers Need to Concentrate”, einer Initiative zur Vereinbarung von Autor*innenschaft und Elternschaft.
Foto_Leif Santoso Knobbe
21.8.2022_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.