Liebe Thea, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?

Aktuell bin ich für ein paar Tage auf Schreiburlaub in Frankreich. Meistens stehe ich gegen 8 auf, frühstücke, koche Kaffee und versuche dann, 2-3 Stunden an meinem Roman zu arbeiten.

Danach spaziere ich mit einem Freund und Kollegen ans Meer, gehen schwimmen oder in ein Café, wo wir über unsere Schreibprojekte sprechen oder noch etwas arbeiten.

Gegen Spätnachmittag spazieren wir wieder hoch auf den Berg, kaufen unterwegs Baguette, kochen etwas, trinken vielleicht noch einen Cidre oder Wein.
Danach bin ich meist so erledigt, dass ich mich hinlege und nur noch etwas auf dem Laptop schaue vor dem Schlafen.

Dieser sehr ruhige Tagesablauf tut gerade besonders gut, weil ich die letzten Wochen viel unterwegs war für Lesungen oder um Freunde zu besuchen. Auch in meinem Brotjob als Werbetexterin habe ich wieder einige Wochen gearbeitet. Jetzt finde ich langsam wieder in einen Schreibrhythmus und in mein Projekt zurück.

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Ich tue mich sehr schwer damit, allgemein gültige Aussagen zu machen – auch deshalb, weil Lebenssituationen so unterschiedlich sind. Ich weiß nicht, wer »wir alle« überhaupt sein sollen.
Wenn ich aber eines grundsätzlich für wichtig halte, dann vielleicht genau eine solche Unentschiedenheit. Eine Meinung zu haben ist wichtig, aber für ebenso wichtig halte ich es, dieser Meinung zu misstrauen, sie zu hinterfragen, unsicher zu bleiben.
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?
Ich glaube, dass es so wenig wie es »die Literatur« oder »die Kunst« gibt, »die Rolle« gibt, die zu erfüllen wäre. Kunst kann sich natürlich mit aktuellen gesellschaftlichen Umbrüchen auseinandersetzen, aber sie muss es nicht.
Was die Literatur aber so gut wie immer tut ist: Uns Einblick in Welten geben, die uns fremd sind. Ich glaube das ist etwas, was zu jeder Zeit und in jeder gesellschaftlichen Situation wichtig ist: Über sich selbst hinauszuschauen und die eigenen Denkmuster zu verlassen.
Was liest Du derzeit?
Gerade lese ich gleich zwei Bücher von wunderbaren Menschen und Autor:innen, die ich sowohl persönlich, als auch literarisch sehr schätze: »Schwerer als das Licht« von Tanja Raich; und »So long, Annemarie« von Andreas Unterweger.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
»Had I been blessed with even limited access to my own mind there would have been no reason to write. I write entirely to find out what I’m thinking, what I’m looking at, what I see and what it means. […] What is going on in these pictures in my mind?«, schreibt Joan Didion in »Let my tell you what I mean«
Ich finde mich und mein Schreiben darin sehr wieder und ich kehre zu diesem Satz manchmal zurück, wenn ich das Gefühl habe, beim Schreiben nicht zu wissen, was ich tue. Um mich selbst daran zu erinnern, dass das Schreiben für mich vor allem das ist: eine Suche.

Vielen Dank für das Interview liebe Thea, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Literaturprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
5 Fragen an Künstler*innen:
Thea Mengeler, Schriftstellerin
Fotos_Portrait Batuhan Aydin; Frankreich _ privat.
13.9.2022_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.