Lieber Rolf, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Jeder Tag sieht ein wenig anders aus. Heute ist Mittwoch. Da bin ich für die Kinder verantwortlich. Also wecke ich sie, tische das Frühstück auf, schicke sie los. Dann schreibe ich eine Weile. Und dann kommen die Kinder wieder nachhause. Mittagessen. Und am Nachmittag gehen wir gemeinsam ins Stadttheater Biel, wo ich – zusammen mit der Regisseurin Isabelle Freymond –ein Stück mit Kindern und Jugendlichen entwickle. Ich hab das respektvolle und achtsame Gewusel, das im Proberaum herrscht, sehr gern. Dann Nachtessen zu viert, mit meiner Frau und den Kindern. Dann etwas vorlesen, Rücken kraulen und „Gute Nacht“.

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Weiterhin zwischen Ideal und Ambivalenz zu pendeln und das auszuhalten und sich hin und wieder doch sehr und mehr zu strecken.
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?
Ich erhoffe mir ja immer ein bisschen, dass die Literatur, ja die Kunst überhaupt, es uns ermöglicht, die vielfältige und vergängliche Schönheit, die uns umgibt, vertieft wahrzunehmen und – daraus folgend – den Dingen etwas Sorge zu tragen.
Was liest Du derzeit?
Ich lese drei Bücher:
Katja Brunner: Geister sind auch nur Menschen, erschienen im Verlag Der gesundene Menschenversand.
Adelheid Duvanel: Fern von hier, erschienen im Limmat Verlag.
William Wordsworth: Gedicht, noch ohne Titel, für S. T. Coleridge, (The 1805 Poem), erschienen bei Matthes und Seitz.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
In Marie T. Martins Gedichtband „Rückruf“, den ich sehr mag, finden sich diese Zeilen:
… Noch heute
kann dich die Angst überfallen, dass
alle aufeinmal verschwunden sind,
dass du eine Täuschung bist oder ein
seltsamer Traum.
Vielen Dank für das Interview lieber Rolf, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Literatur-, Kunstprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
5 Fragen an Künstler*innen:
Rolf Hermann, Autor und Performer
https://m.youtube.com/watch?v=2sj0n2NZ-2s
Rolf Hermann ist derzeit mit zwei Bühnenprogrammen und mit dem Lyrikband „In der Nahaufnahme verwildern wir“ unterwegs. Im November geht es auch nach Indien.
Foto_Dirk Skiba
24.8.2022_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.