Liebe Yvonne, wie liest Du den Text „Undine geht“ von Ingeborg Bachmann? Welche Grundaussagen gibt es da für Dich?
Den Kampf der Geschlechter als unerbittlichen Schmerz und der Ruf nach Erlösung. Klar und eindringlich.

acting „Undine geht“ _ Erzählung_ Ingeborg Bachmann _ 1961
„Undine geht“ wurde vor 60 Jahren veröffentlicht. Was hat sich seit damals im Rollenbild von Frau und Mann verändert und was sollte sich noch ändern?
Auf einem Flohmarkt ist mir einmal eine Hochzeitsmagazin aus den 60er Jahren in die Hände gefallen. Ich habe gedacht, mich hebt es aus den Schuhen, als dort genauestens beschrieben stand, wie sich Frau optimal auf ihre Rolle in der Ehe vorbereiten möge…
„Ihm immer die Hausschuhe bringen, wenn er nach Hause kommt“… etc.









Es hat sich viel verändert gesellschaftlich und es gibt noch viel zu tun auf dem Weg zu- und miteinander. Im Außen wie im Innen.













Der Monolog geht mit der patriarchalen Gesellschaftswelt schonungslos ins Gericht. Wie siehst Du die Situation patriarchaler Macht heute?
Tatsächlich bekomme ich selbst noch solche patriarchale Macht in meiner unmittelbaren Umgebung zu spüren.

Ich sehe es als meine Aufgabe herauszufinden, wie ich mit solchen Strukturen umgehen kann, welche Wege ich für mich finde.



Macht ist ein großes persönliches Thema für mich. Sehr lange sind weibliche Kräfte unterdrückt worden, eben weil sie so machtvoll sind. Ich bin bestrebt eine Ausgewogenheit zwischen männlichen und weiblichen Kräften in mir herzustellen.






Der Text drückt auch viel Trauer über das Scheitern der Liebe und eines Miteinanders im gesellschaftlichen Lebens aus. Welche Auswege siehst Du da?
Aufhören, der Liebe so viel aufdrücken zu wollen. Die Fähigkeit zur Vergebung stärken. Und die Illusionen und Vorstellungen in Bezug auf Liebe loslassen , denn diese schmerzen meines Erachtens nach am Meisten.

Wenn wir offen bleiben für das, was wir fühlen und das, was ist, kann etwas Wunderschönes entstehen. Aber wir werten lieber, vergleichen uns und sind permanent abgelenkt von uns selbst, anstatt sich auf die wahren inneren Herzenswünsche auszurichten und zu entdecken, wie sie ausschauen.




Wir sind hungrig nach Liebe, tragen viele unerfüllte Bedürfnisse in uns und der Schmerz möchte einen Platz in unserem Herzen finden. Wir verweigern ihn anzunehmen, da wir es uns nicht zutrauen und glauben, dass sei zu viel für uns. Es braucht viel Mut und Vertrauen in uns selbst. Dann leiden wir viel weniger, auch wenn Dinge nicht so perfekt sind oder Menschen uns enttäuschen. Wir sehen dann auch den anderen in seinem Schmerz und seiner Aufgabe.



Was kannst Du als Frau und Künstlerin von „Undine geht“ in das Heute mitnehmen?
Unbeirrt und mutig seinen eigenen Weg zu gehen. Heute wie damals.

Was bedeutet Dir Natur?
Rückverbindung mit mir selbst und allem was ist, leichter nehmen zu können und mich an ihrer unbändigen Schönheit zu erfreuen.





Wie kann der moderne Mensch in Harmonie zur und mit der Welt leben?
Indem er bestrebt ist, Harmonie in sich selbst zu kreieren, indem er innere Ängste und Konflikte befriedet.




Was braucht Liebe immer, um zu wachsen, blühen?
Die Bereitschaft zu geben, dem anderen und sich selbst. Und die Erinnerung, dass man selbst Liebe ist.

Vertrauen.

Was lässt Liebe untergehen?
Zu viele Herzmauern und der daraus resultierende Mangel an Liebe zu sich selbst, denn dann reicht es nie.




Wie war Dein Weg zum Schauspiel?
Ich wusste nach der Matura nicht wirklich, welche berufliche Richtung ich einschlagen sollte und hab einfach die Aufnahmeprüfung an der Schauspielschule in Hamburg probiert. Zu meinem Erstaunen bin ich aufgenommen worden, aber es entwickelte sich nicht so toll. Nach 2 Jahren hab ich abgebrochen, aber es ließ mich innerlich nicht los und ich begann von vorne in Wien, wo ich dann 2005 meine Bühnenreife-Prüfung erfolgreich absolvierte.

Welche Berührungspunkte/Impulse mit/von Literatur gab es bisher in Deinen künstlerischen Projekten?
Da fällt mir spontan eine alte Theaterproduktion („Die Welle“) ein, in demmein Schauspielkollege und ich mit realen Schülern im Theater gespielt haben und ihnen und uns selbst die Anfälligkeit für faschistoides Handeln und Denken nahebrachten.

Es ist nicht etwas, dass nur andere Menschen betrifft, sondern es ist zum Teil auch in jedem von uns. Bewegungen entstehen und können leicht außer Kontrolle geraten.




Welche Impulse gibt es von der Natur für Dich persönlich?
Wenn es mir nicht gut geht, suche ich die Natur auf. Natur gleicht mich aus, beruhigt und nährt mich.



Außerdem sammle ich immer Steine, da kann ich nicht anders.

Was bedeutet Dir das Element Wasser?
Wasser bedeutet sehr viel für mich, in all seiner Vielschichtigkeit.

Wasser drückt das Selbst und das Leben aus.

Reinigung, tiefste Entspannung und Verbindung zu mir selbst, wenn das Wasser sich still oder einladend präsentiert.

Schonungslos, kraftvoll, zerstörerisch und sich seine Bahnen suchend, wenn es sich machtvoll bewegt und sich nicht zähmen lässt.

Wie lebst Du den Kreislauf der Jahreszeiten?
Ich gehe mit.


Welches Zitat aus „Undine geht“ möchtest Du uns mitgeben?
„Beinahe verstummt, beinahe noch den Ruf hörend. Komm.Nur einmal.Komm“




Darf ich Dich zum Abschluss zu einem Achrostikon zu „Undine geht“ bitten?
U=n- Geh- Heuer
N= aturver-Bund
D=onau-Brücke
I=c-Hans
N=ebel-im-Ged-Ächtnis
E=ins-Sein





acting „Undine geht“ _ Erzählung_ Ingeborg Bachmann _ 1961
Station bei Ingeborg Bachmann_
Undine geht _Erzählung _ Ingeborg Bachmann _ im Gespräch und szenischem Fotoporträt:
Yvonne Meisner, Schauspielerin _Wien _ acting Undine
Interview und alle Fotos_Walter Pobaschnig _Wien_2022.
Walter Pobaschnig 7_22