„Unglaublich pointierte, intime Momentaufnahmen“ Lisa Kröll, Schauspielerin _ 40.Todesjahr Romy Schneider _ Wien 15.7.2022

Lisa Kröll, Schauspielerin _ Wien _
reenacting Romy Schneider, Schauspielerin (*1938 Wien +1982 Paris)

Liebe Lisa, gibt es Berührungspunkte zu Werk und Leben Romy Schneiders in Deinen bisherigen Schauspielprojekten?

Romy Schneider und ich haben beide in »Der Prozess« von Franz Kafka gespielt. Sie hat in der Verfilmung von 1962 unter der Regie von Orson Welles die Rolle der Leni verkörpert, ich die Frau des Gerichtsdieners in einer Dramatisierung von 2017 bis 2020 am Pygmalion Theater Wien unter der Regie von Geirun Tino.

Gibt es einen Film von Romy Schneider, den Du hervorheben möchtest und warum?

Romy Schneider war bis zu ihrem Tod davon überzeugt, keine wirklich bedeutenden Filme gedreht zu haben. Aber beim »Prozess« hatte sie zum ersten Mal das Gefühl, etwas Außerordentliches geleistet zu haben. Deshalb möchte ich der vorhin erwähnten Prozess-Verfilmung eine besondere Gewichtung geben.

Auf ihre »Sissi«-Filme, die sie weltberühmt gemacht haben, werde ich nicht näher eingehen, denn das würde Romy wohl nicht besonders freuen! Sie hat so stark dafür gekämpft, ihr »Sissi«-Image abzuschütteln, um sich beruflich weiterentwickeln zu können.

Unbedingt erwähnen möchte ich auch noch, wie professionell sie die Rolle in ihrem letzten Film »Die Spaziergängerin von Sans-Souci« gemeistert hat. So kurz nachdem ihr eigener Sohn mit 14 Jahren beim Überklettern eines Zaunes gestorben war, mit einem fast gleichaltrigen Jungen vor der Kamera zu stehen, war bestimmt schwierig!

Romy Schneider spielte in ihren Filmrollen sehr intensiv und ausdrucksstark, auch körperlich, und ging bis an die Grenzen des persönlich Möglichen. Etwa in den Filmen »Nachtblende«, »Trio infernale« oder »Die Spaziergängerin von Sans-Souci«. Wie siehst Du als Schauspielerin die Darstellerin Romy Schneider?

Ich feiere alle Schauspielerinnen und Schauspieler, die mit Leidenschaft ihren Beruf ausüben und beim Spiel nicht darauf achten, ob sie schön oder toll als Person rüberkommen oder sich selbst dabei wohlfühlen, sondern alle Energie in die Rolle stecken. Das schätze ich auch an Romy Schneider.

Wenn ich eine Rolle annehme, dann ebenfalls mit vollem Einsatz. Ich mag keine halben Sachen.

Müssen Mensch und Rolle sich immer ganz nah, intensiv berühren, um diese spielen und auch das Publikum berühren zu können?

Auch wenn Romy stets den Eindruck erweckte, ihre Rollen mit eigenen Erfahrungen auszufüllen, betonte sie selbst immer: »Jeder, der glaubt, ich sei wie in meinen Filmen, ist ein Idiot.« Das kann ich für meine Rollen am Theater nur bestätigen. (lacht)

Würdest Du einen Film von Romy Schneider gerne spielen und wenn ja, warum?

Bisher war ich als Schauspielerin sehr aktiv auf der Bühne, den Bereich Film  habe ich jedoch stiefmütterlich behandelt. Die intensive Beschäftigung mit Romy Schneider hat aber mein Interesse für diese Sparte geweckt!

Es gibt von Romy Schneider sehr viele Fotoserien. Gibt es eine Serie, die Du hervorheben möchtest?

Mir gefällt die Fotoserie von Helga Kneidl aus dem Jahr 1973 besonders gut. Die Theaterfotografin hat drei volle Tage mit Romy in Paris verbracht, in dieser Zeit aber nur wenige Male den Auslöser gedrückt. Diese Bewusstheit spürt man in den Bildern. Es sind unglaublich pointierte, intime Momentaufnahmen entstanden, die in starkem Kontrast zu heutigen Bildern von Stars auf Instagram stehen, die sich rund um die Uhr selbst inszenieren können.

Auch die Aufnahmen des Fotografen Will McBride aus dem Jahr 1964 finde ich sehr gelungen, welche wenige Monate nach der Trennung von Alain Delon in einem Pariser Hotelzimmer entstanden sind.

Wie siehst Du Romy Schneider vor der Fotokamera? Ist sie da Schauspielerin oder Privatperson oder beides?

Meiner Meinung nach liebten die Kameras Romy Schneider. Ihre natürliche Art und die makellose Schönheit waren wie für das harte Kameraauge gemacht. Sie trat auch ungeschminkt vor die Linse – in ihrer Eigenschaft als Schauspielerin.

Auch unser Projekt ist ein szenisches Foto/Interviewprojekt. Wie hast Du Dich im Vorfeld darauf vorbereitet und was ist Dir dabei wichtig?

Ich habe viele Informationen über Romy eingeholt und versucht, ihre Persönlichkeit und ihre Faszination zu verstehen. Auch die beiden vorhin erwähnten Fotoserien von ihr habe ich als Inspirationsquelle verwendet.

Schön finde ich auch, bei solchen Projekten spontanen Impulsen zu folgen und zu beobachten, wohin sie einen führen.

Wie siehst Du das Spannungsverhältnis von Öffentlichkeit und Schauspielberuf bei Romy Schneider wie an sich?

Ich glaube, dass die Öffentlichkeit in diesem Beruf immer eine große Rolle spielt – schließlich leisten Schauspieler*innen ihre Arbeit nicht für sich selbst, sondern für ein Publikum.

In Romys Leben war die mediale Berichterstattung seit ihrer frühen Jugend allgegenwärtig und vermutlich muss man in diesem Beruf lernen, damit umzugehen. Aber als ein Pressefotograf – als Krankenpfleger getarnt – die Leiche ihres Sohnes fotografierte, wurde meiner Meinung nach eine Grenze überschritten. Romy Schneider fragte zurecht: »Wo ist da die Moral? Wo ist das Taktgefühl?«

Romy Schneider wechselte nach großen Schauspielerfolgen in den 1950ern das Filmgenre wie das Land. Wie siehst Du die Möglichkeiten persönlichen Entwicklungsweges im Schauspielberuf?

Veränderungen wie Ortswechsel können immer eine große Bereicherung sein und neue Projekte bieten. Das Genre zu wechseln birgt große Entwicklungsmöglichkeiten. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie mir in diesem Beruf jemals langweilig werden soll!

Wie war Dein Weg zum Schauspiel und welche Erfahrungen hast Du in Wien im Schauspielberuf gemacht?

Durch meine theaterbegeisterte Mutter kam ich schon früh mit dem Theater in Berührung. Aber dass »Schauspielerin« auch ein wirklicher Beruf ist und nicht nur eine Leidenschaft, wurde mir erst bewusst, als ich mich aus Neugierde nach der Matura an der Schauspielschule in Tirol beworben hatte – und aufgenommen wurde. Eigentlich war ich schon für »Vergleichende Literaturwissenschaften« an der Uni Innsbruck eingeschrieben, aber dieses Studium habe ich dann ganz spontan nicht angetreten. Zum Glück! Schauspielerin zu sein ist so ein wunderbarer Beruf! Genau so spontan habe ich im dritten Semester nach Wien gewechselt und dort 2018 mein Studium abgeschlossen. Schon während der Ausbildung wurden mir in Wien fordernde Rollen angeboten, und so bin ich »ungeplanter Weise« in der Hauptstadt geblieben.

Ich schätze die vielseitige Schauspielszene in Wien sehr und ich liebe die unzähligen kleinen wie großen Theater mit ihrem ganz besonderen Charme. Allerdings gibt es nicht genügend bezahlte Projekte, um alle Kunstschaffenden zu beschäftigen und Nachwuchsschauspieler*innen haben es oft schwer, eine Gelegenheit zu bekommen, gesehen zu werden.

Was wünscht Du Dir für den Schauspielberuf?

Dass eine Mindestgage in der freien Szene eingeführt wird. Leider glauben immer noch viel zu viele Arbeitgeber*innen in diesem Bereich, dass man mit der Liebe zum Beruf seine Miete und Lebensmittel bezahlen kann.

Was sind Deine kommenden Projekte?

Nach dem Solostück über Ulrike Meinhof, das ich bereits seit 2017 spiele, hat mich im Kontrast dazu ein weiteres, aber lustiges gereizt. Und vor kurzem ist mir genau so eines angeboten worden! Die Proben dafür sind schon fast in der Endphase und in wenigen Wochen werde ich es zeigen können. Zusätzlich habe ich laufende Stücke am Pygmalion Theater Wien wie »Die Schachnovelle« oder »Die Macht der Gewohnheit«. Eine Wiederaufnahmepremiere von »Die Suffragetten« ist für Juli geplant. Es gibt also viel zu tun!

Was möchtest Du Schauspielstudent*innen mitgeben?

Es ist ganz normal, in diesem Beruf klein anzufangen und Absagen zu bekommen. Bleib dran, wenn dein Herz für die Schauspielerei brennt! Otto Schenk erzählt zum Beispiel in seiner Biografie, wie er in seinen Anfängen vor ganz wenig Publikum gespielt hat – einmal sogar nur für eine Frau und ihre zwei Hunde …

Wie siehst Du die Umstände des Todes von Romy Schneider?

Der untersuchende Staatsanwalt beließ Romys Tod als Geheimnis, indem er keine Obduktion anordnete – dies hat zu vielen Spekulationen geführt. In der Presse wurde zunächst meist von einem Suizid gesprochen, die offizielle Todesursache im Totenschein ist »Herzversagen«. Eine mögliche Erklärung könnte der psychische Stress durch den Tod ihres Sohnes und eine Mischung aus Alkohol, Schlaf- und Aufputschmitteln sein, die für ihren geschwächten Körper zu viel waren.

Was kann man von Romy Schneiders Werk und Leben mitnehmen?

Dass man seiner Leidenschaft folgen und Veränderungen wagen muss! Die 13-jährige Romy notierte bereits in ihrem Tagebuch: »Wenn es nach mir ginge, würde ich sofort Schauspielerin werden. […] Jedesmal wenn ich einen schönen Film gesehen habe, sind meine ersten Gedanken nach der Vorstellung: Ich muß auf jeden Fall einmal eine Schauspielerin werden. Ja! Ich muß!« Diese Leidenschaft hat sie sich über all die Jahre behalten. Und sie hatte den Mut, in einem anderen Land mit fremder Sprache beruflich nochmals neu zu beginnen.

Romy Schneider hat auch viele Interviews gegeben. Gibt es ein Interview, das Dich besonders anspricht und möchtest Du vielleicht ein Zitat hervorheben?

»Man kann einen Augenblick lang nachdenken, aber dann muss man weitermachen. Stehenbleiben ist für mich nicht möglich. Man stürzt sich in die Arbeit, weil man es tun muss – und es hilft auch ein wenig zu vergessen.« So beantwortete Romy Schneider die Frage, woher sie so kurz nach dem Tod ihres Sohnes die Kraft nahm, mit einem fast gleichaltrigen Burschen einen neuen Film zu drehen.

Darf ich Dich abschließend zu einem Romy Akrostichon bitten?

Romantikerin sucht die wahre Liebe

Ohnmacht ob der Schicksalsschläge

Medien – nicht immer nur Freund und Helfer

Yesterday, all her troubles seemed so far away

Lisa Kröll, Schauspielerin _ Wien _
reenacting Romy Schneider, Schauspielerin (*1938 Wien +1982 Paris)

40.Todesjahr _ Romy Schneider, Schauspielerin (*1938 Wien +1982 Paris) _ im Gespräch und szenischem Fotoporträt:

Lisa Kröll, Schauspielerin _ Wien

https://www.lisakroell.com/

Interview und alle Fotos_Walter Pobaschnig _Wien_6.2022

https://literaturoutdoors.com

Walter Pobaschnig 6_22

Hinterlasse einen Kommentar