
reenacting Malina _ Roman _ Ingeborg Bachmann
Liebe Ulrike, wie siehst, erlebst Du unser so dramatisches Zeitgeschehen derzeit?
Das tägliche Leben: ein Balance-Akt zwischen dem Anspruch und der Notwendigkeit, die Sinne und das Gehirn offen und empfänglich zu halten und dem Bedürfnis, der Notwendigkeit, auch zu filtern und zu verdrängen, mit einem Ziel: nicht am Weltgeschehen zu ersticken, sondern so hilfreich und sinnvoll wie möglich zu handeln, auch im Kleinen, in der Familie, in freundschaftlichen, kollegialen und professionellen Kontexten.





Was bedeutet diese Situation im Moment für Dich als Schriftstellerin? Gibt es unmittelbare Auswirkungen? Gibt es Projekte der literarischen Bearbeitung des zeitgeschichtlichen Stoffes?
Ich komme ursprünglich aus einer politischen Familie, bin aber selbst leider kein besonders politischer Mensch. Politik ist für mich – wenn sie mit dem redlichen und ehrlichen Anspruch reflektiert und praktiziert wird, mittels ihrer allen Menschen und ihrer Umwelt ein gutes Leben zu ermöglichen – eine ungeheuer wichtige, aber komplizierte Angelegenheit, und ich ziehe meinen Hut vor allen Menschen, die sich ihr wahrhaftig widmen. Ich verwende für mein Gefühl zu wenig Zeit auf politische und wirtschaftliche Themen, lese zu wenig Zeitung, sehe zu wenige Diskussionsrunden etc., um mich fundiert äußern zu können. Wenn ich einmal freie Zeit habe, lese ich lieber Literatur als die Tagespresse. Ich habe und hatte auch noch nie das Bedürfnis, bewusst bzw. betont politische Kunst zu machen. Kunst ist aus meiner Sicht vor allem frei und unabhängig und soll und muss es auch bleiben: losgelöst von moralischen Ansprüchen und politischen Einflüssen.





Wir sind hier an einem literarischen Bezugspunkt der österreichischen Schriftstellerin Ingeborg Bachmann (*1926 Klagenfurt *1973 Rom) in Wien. Welche Bezüge gibt es von Dir zu Ingeborg Bachmann?
Mannigfaltige. Das ist eine schlichte Tatsache. Ich lese und liebe Ingeborg Bachmanns Texte, seitdem ich eine junge Frau war. Ich habe so ungefähr alles gelesen – nicht immer zu Ende, aber zumindest hineingelesen –, was es von ihr gibt, Gedichte, Erzählungen, Essays, Hörspiele, Libretti, Briefwechsel, „Malina“…, natürlich auch Bücher über sie und ihre Literatur. Ich bewundere Ingeborg Bachmanns Umgang mit Sprache, ihre Klarsicht, ihre Kompromisslosigkeit, ihre Kühnheit, ihre Radikalität. Sie ist ihr Leben lang eigenständig und unabhängig ihren Weg als Künstlerin gegangen, mit einer, so scheint es mir, Schwerelosigkeit und Intuition, die ihresgleichen suchen.

Liegt derzeit ein Buch Ingeborg Bachmann bei Dir am Schreibtisch oder Nachtkästchen?
Ich habe das Projekt mit dir, Walter, zum Anlass genommen, um endlich „Ein Ort für Zufälle“, Ingeborg Bachmanns Dankrede zur Verleihung des Georg-Büchner-Preises, zu lesen. Das ist ein starker expressionistischer Text, in dem viel gebündelte Energie steckt, Wut, Gefühl überhaupt, Mut, Grenzüberschreitung, das mag ich. Außerdem spielt der Text in Berlin und erzählt von meiner Heimatstadt, die ich, obwohl ich mittlerweile gut in Wien angekommen bin, immer noch vermisse. Auch das setzt mich nahe an ihn heran.

Außerdem lese ich im Moment zum ersten Mal seit ungefähr 20 Jahren „Malina“ wieder. Nicht selten geht es mir mit Büchern, die ich als junge Frau fantastisch fand, so, dass ich sie heute nicht mehr ganz so großartig finde, was immer auch eine leichte Enttäuschung ist, eine kleine Wunde. Mit „Malina“ ist es aber überraschenderweise andersherum: Als junge Frau konnte ich so gut wie nichts mit dem Roman anfangen, und heute sagt er mir einiges, auch wenn ich immer noch nicht weiß, ob ich ihn wirklich „gut“ im Sinne von gelungen finde. Aber darum geht es auch gar nicht.




Welche Texte von Ingeborg Bachmann möchtest Du hervorheben und warum?
Ich habe eine Vorliebe für ihre Gedichte und Erzählungen, die mich an zahlreichen Stellen besonders berühren, vor allem aufgrund ihrer oft außergewöhnlichen, ausdrucksstarken, Sprachbilder. Die Begabung Ingeborg Bachmanns war in diesem Bereich gewaltig und gleichzeitig ganz natürlich, so sehe ich das. Und da trifft sie mich im Innersten.

Ingeborg Bachmann nimmt in ihrem umfassenden Werk viele unmittelbare biographische, topographische wie gesellschaftliche Bezugspunkte in Auseinandersetzung wie kritischer Emanzipation auf. Welche Schwerpunkte möchtest Du hervorheben?
Ich gehe beim Lesen und beim Schreiben primär intuitiv vor, nach meinem Gefühl. Mich interessieren nicht vor allem die – intellektuellen – Intentionen von Künstler*innen und ihren Werken, ihre Botschaften, Hintergründe, Anliegen, Vorhaben, sondern ich will von einem Text, einem Kunstwerk, berührt und bewegt werden, auf eine Weise, die ich nicht erklären können muss, die aber dazu führt, dass ich mir Wörter, Sätze, Bilder, Textstellen, Eindrücke merken, sie abschreiben, in mir behalten und bewegen möchte. Ingeborg Bachmanns Literatur ist aus vielerlei Hinsicht bemerkenswert, visionär, kraftvoll. Das haben viele gut und klug beschrieben, dem muss ich nichts hinzufügen. Dennoch ist es für mich zuallererst ihr Umgang mit Sprache, der mich an die Texte fesselt, die sprachlichen Bilder, die Ingeborg Bachmann findet, kreiert und lebendig werden lässt.








Wie wesentlich ist das Benennen und „Zumuten von Wahrheit“ in Leben und Gesellschaft, Geschichte und Gegenwart, in der Literatur für Dich? Welche literarischen Wege gehst Du da?
Ich glaube, Kunst ist immer nur dann wesentlich und bemerkenswert, wenn sie den Betrachter*innen und Rezipierenden Wahrheit zumutet: die Wahrheit ihrer Schöpfer*innen, die Wahrheit eines authentischen Gestusʼ, die Wahrheit einer ehrlichen, offenen Haltung. Dabei bedeutet „Wahrheit“ natürlich nicht „Realität“. Die – künstlerische – Wahrheit, die ich meine, kann auch aus sogenannten Lügen bestehen, aus wahren Lügen: Jede Inszenierung birgt auch Wahrheit in sich, wenn sie nicht primär gemacht, sondern entstanden ist. Diesem Grundsatz versuche ich in meinem Schreiben zu folgen. Manchmal scheitere ich, manchmal gelingt es mir, glaube ich. Es ist nicht leicht, es ist jeden Tag eine neue Herausforderung, aber es ist essenziell, für die Kunst und das Leben. Aus meiner Sicht.





Wie war Dein Weg zum Schreiben?
Ich bin erstmal die Hälfte meines Lebens vor dem Schreiben weggelaufen, weil ich, auch durch das Aufwachsen in einer Akademikerfamilie, viel zu hohe Ansprüche daran hatte, was (m)ein mögliches Schreiben betraf: Wenn ich als Schriftstellerin nicht mindestens so gut, originell, schöpferisch, weltbewegend wäre wie Virginia Woolf, und das natürlich unmittelbar, müsste ich gar nicht erst damit anfangen – jahrzehntelang habe ich das gedacht. Aus heutiger Sicht erscheint mir das idiotisch, zumal ich, immer dann, wenn ich schreiben musste, in der Schule, in Kreativ-Workshops etc. eine Wahnsinnsfreude daran hatte und völlig versunken bin in meinen Texten – ein Geschenk, das mir sonst nur die Schauspielerei, das Theater in meinem Leben gemacht hat. Das allein hätte zählen müssen! Aber so war es leider nicht.








Der Weg über die Kinderliteratur, die ich mit Mitte 30 out of the blue zu schreiben begann – im Grunde, weil mein ältester Sohn mich darum bat – und mit der ich zum Glück sofort eine gewisse Art von Erfolg hatte, war für mich wie eine Art Schleichweg, ein Schlupfwinkel. Ich fühlte mich in dem Bereich freier als in der Erwachsenenliteratur, vermutlich auch, weil ich zu dem Zeitpunkt weniger Bücher für Kinder als für Erwachsene kannte und mich nicht so stark unter Druck gesetzt habe, mit irgendwelchen Erfolgsautor*innen mithalten zu müssen. Ich habe einfach losgeschrieben und dann innerhalb von wenigen Jahren fünf Romane für Kinder bei Aladin veröffentlicht, einem Label des Carlsen-Verlags, bis ich wieder an einem Punkt in meinem Leben angelangt war, an dem ich etwas Neues ausprobieren wollte. Also habe ich mich an das Schreiben meines ersten Romans für Erwachsene gemacht. Der war nicht gut genug und schlummert seitdem als Halbleiche auf der Festplatte meines Computers, aber ich hoffe, dass ich ihn eines Tages wiederbeleben und in verbesserter Form auferstehen lassen kann.

Durch Corona musste ich dann so viel in meinem Brotjob arbeiten – und ich hab ja auch noch drei Söhne, zu meinem großen Glück, mit denen ich mein Leben verbringe –, so dass ich nur noch bruchstückhaft Zeit für das Schreiben fand. Also habe ich vor eineinhalb Jahren mit dem Schreiben von Lyrik begonnen; das kann ich besser zwischendurch in den vollgestapelten Tag schieben, in den frühen Morgen, die späte Nacht oder eine kurze, unverhoffte Mittagspause. Innerhalb kürzester Zeit entstand so mein erster Lyrikband, den ich zusammen mit der deutschen Künstlerin und Schriftstellerin Johanna Hansen 2021 in der Wiener edition melos publiziert habe. Alles ging schnell und intuitiv, war kein Kraftakt, sondern eine helle Freude für mich.




Welche Rolle kam Deiner Familie in Deinem Weg des Interesses am Schreiben zu?
Ich komme aus einer Familie, in der die Sprache und Mehrsprachigkeit, Literatur und der Umgang mit Büchern, Lesen, Vorlesen und auch Schreiben eine zentrale Rolle gespielt haben. Das war einerseits inspirierend, ein Geschenk, das mich natürlich geprägt und beeinflusst hat, andererseits aber auch hemmend, weil die daraus resultierenden Vorbilder für mich wie Riesen waren, die meinen eigenen künstlerischen Weg beschattet und lange sogar verstellt haben.


Bei Ingeborg Bachmann ist das Vaterbild ein sehr kritisch bewertetes, weil von Krieg und Faschismus beeinflusstes, geprägtes und weitergebendes. Was unterscheidet Dein Vaterbild da?
Oh, ich hatte zum Glück einen im wahrsten Sinn des Wortes wundervollen Vater: Er war liebevoll, aufmerksam, lustig, einfallsreich, fördernd und fordernd, präsent, unterstützend, hingebungsvoll. Sein größtes Geschenk an uns, seine drei Töchter, war aus meiner Sicht, dass er uns immer für voll genommen hat, uns immer auf Augenhöhe begegnet ist: Wir waren von Anfang an gleichberechtigte und gleichwertige Diskussionspartnerinnen für ihn. Ich habe meinen Vater über alles geliebt. Leider ist er schon 2014 gestorben und war davor jahrelang schwerkrank.



Mein Vater hat sein Leben lang geschrieben und davon geträumt, als Künstler erfolgreich zu sein, als Schriftsteller oder Regisseur. Er musste aber auch Geld verdienen, war ein sehr guter, strenger und engagierter Gymnasiallehrer, und er hat sich während seines Lebens in einigem verlaufen und verheddert, hat Energie, die er aus meiner Sicht in sein Schreiben und vor allem in den Versuch, publiziert zu werden, hätte stecken können und sollen, in anderen ,Projekten‘ verschwendet, wenn man das so sagen kann. Schon als junge Frau habe ich mir deswegen geschworen, dass mir das nicht passieren würde.




Ist Dein Vaterbild auch literarisches Thema?
Das weiß ich nicht genau. Unbewusst bestimmt. In meiner Kinderbuchreihe „Zara“ hat die Protagonistin eine besonders innige Beziehung zu ihrem Vater. Da haben meine Erfahrungen mit meinem eigenen Vater mich sicher beim Schreiben beeinflusst. Ansonsten schreibe und lebe ich zeit meines Lebens, das kann ich wohl so sagen, mit und gegen „den großen Mann“ an. Wer das genau ist, was er für mein Leben und mich bedeutet und inwiefern er Einfluss auf mein Schreiben hat – ich weiß es nur ansatzweise. Als Mädchen und junge Frau hatte ich die Angewohnheit, mit meinen Fingern auf alle möglichen Flächen, Bettlaken, Notizblöcke, Schulhefte, Tischplatten, die Worte „der große Mann“ zu schreiben, ohne zu wissen, was das bedeutete. Ich weiß das bis heute nicht, aber was ich weiß, ist, dass ich schon in der Schule immer wieder auf teilweise vehementen Widerstand gegen mich gestoßen bin und auch Attacken von „großen Männern“ erlebt habe, mit ihnen konfrontiert war – als ein Mädchen, das aus verschiedenen Gründen aus dem Rahmen fiel. Damals habe ich mir nichts mehr gewünscht, als nicht aus dem Rahmen zu fallen, einfach ,ganz normal‘ zu sein, was auch immer man darunter zu verstehen hat. Diese Auseinandersetzung hat mein Leben geprägt und so auch mein Schreiben, natürlich. Als deutlichste Spur findet man sie bislang vor allem in einigen meiner Gedichte wieder, denke ich.








Du bist eine sehr vielseitige Schriftstellerin, Künstlerin. Welche Schwerpunkte gibt es da in Literatur und Kunst?
Ich will in meinem Leben, nicht nur im Schreiben, immer alles ausprobieren, worauf ich Lust habe, und was mich herausfordert. Ich kann und will nicht stillstehen, mich nicht ausruhen auf, bei und mit dem, was ich schon ,kann‘, sondern ich will immer weitergehen, mich neuen Herausforderungen stellen, Neues lernen. Diese Einstellung war und ist mein Leben lang essenziell für mich, und aus ihr – und aus der Notwendigkeit, Geld zu verdienen – erklärt sich auch, warum ich in so vielen unterschiedlichen literarischen Gattungen unterwegs bin. Im Moment habe ich die meiste Freude beim Schreiben von Lyrik und dialogischen, theatralen Texten. Ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung, wohin es mich schreibend weiter verschlägt. Das lasse ich auf mich zukommen.











Du lebst in Wien. Bist Du auch in Wien aufgewachsen? Welche Bedeutung hat Wien für Deine literarischen Projekte?
Ich bin eine waschechte Berlinerin, und damit meine ich, dass ich dort nicht nur 35 Jahre meines Lebens gelebt habe, sondern dass ich dort auch geboren bin. Berlin ist und bleibt mein Sehnsuchtsort, meine Heimatstadt. Dennoch ist auch Wien, wo zwei meiner drei Söhne geboren sind, mittlerweile ein Zuhause für mich und das vor allem wegen der Menschen, die mir hier begegnet sind, und die geliebte, treue Freund*innen geworden sind.

Wie bei Ingeborg Bachmann gibt es auch in Deinen Projekten künstlerische Kooperationen. In Deinem aktuellen Buch – PARISER SKIZZEN /JE TE FLINGUE, Ulrike Schrimpf/ Johanna Hansen, Edition Melos 2021 – gibt es einen Dialog in Wort und Bild zwischen Dir und Deiner Schriftstellerkollegin und Künstlerin Johanna Hansen.
Wie kam es zu diesem Projekt und welche Schwerpunkte setzt Ihr darin gemeinsam? Sind weitere gemeinsame Projekte geplant?
Ich war auf der Suche nach einer Künstlerin, zu deren Bildern, Skizzen, Fotos etc. ich schreiben könnte. Auch hier habe ich wieder eine Art Schleichweg genommen, einen Schlupfwinkel gesucht. Ich hätte es niemals gewagt, ,einfach so‘ Lyrik zu schreiben. Das wäre mir tollkühn erschienen, verstiegen, als Hybris. Mein Vater – vielleicht in diesem Punkt doch auch ein bisschen „ein großer Mann“ für mich – hatte mir immer erklärt, Lyrik sei die anspruchsvollste literarische Gattung schlechthin, außerdem gebe es schon unglaublich viele schlechte Gedichte, da müsse man nicht noch seinen eigenen Mist hinzufügen. Kristian Kühn von „Signaturen“, der mir von Beginn an total unvoreingenommen begegnet ist – schließlich kam ich ursprünglich ,nur‘ aus dem Bereich der Kinderliteratur (das werde ich ihm nie vergessen; eine solche Unvoreingenommenheit ist eine Besonderheit im Literaturbetrieb!) – schlug mir vor, ich solle den Kontakt zu Johanna Hansen suchen, wir könnten möglicherweise etwas miteinander anfangen, hätten uns etwas zu sagen. Er hatte recht! Ich glaube, ich nahm im März 2021 Kontakt zu Johanna auf, und innerhalb der nächsten drei Monate entstanden, ohne dass wir uns jemals persönlich begegnet wären, die „pariser skizzen“, die dann wiederum ein paar Monate später in der edition melos in Wien erschienen sind, mittlerweile in der vierten Auflage. Das war und ist ein riesiges, künstlerisches und auch menschliches Glück für mich! Johanna und ich verstehen uns intuitiv, wir mussten nie über irgendetwas erhitzt diskutieren oder gar streiten. Mittlerweile haben wir uns natürlich auch persönlich kennengelernt. Und ja, wir werden weitere Kunstprojekte miteinander verwirklichen. Im Moment denken wir über ein Unterfangen nach, bei dem wir beide schreiben werden, nicht nur ich allein, und auch Johannas Bilder werden wieder eine gewisse Rolle spielen.


Was sind Deine derzeitigen Projektpläne?
Im Moment arbeite ich an zwei Fachbüchern, einem neuen Roman für Erwachsene, einem weiteren Lyrikband und einem erzählenden Sachbuch, natürlich nur teilweise parallel, vor allem nacheinander. Mir ist schon vorgehalten worden, ich sei in zu vielen literarischen Gattungen gleichzeitig unterwegs, das könne man nicht ernstnehmen, ich müsse mich mehr fokussieren. Ich sehe das aber anders! Man kann diese Vielfalt durchaus als Stärke erleben und wahrnehmen. Ich mache, was mir Spaß macht und worauf ich Lust habe, Schreiben ist für mich vor allem etwas Lustvolles und Sinnliches, und letzten Endes ist alles Schreiben, egal, in welcher Gattung und in welchem Genre. Das ist es, was ich bin: eine Schreiberin, a writer. Ich mag den englischen Begriff, mehr als die deutschen Begriffe „Autorin“ und „Schriftstellerin“, die mir im Vergleich dazu sperrig und prätentiös vorkommen.






Im Juni findet der 46.Bachmannpreis in Klagenfurt statt. Hast Du Dich für eine Teilnahme beworben? Welche Bezüge gibt es von Dir zu diesem renommiertesten deutschsprachigen Literaturwettbewerb?
Soweit ich weiß, kann man sich dort nicht initiativ bewerben, aber ehrlich gesagt habe ich das für mich bisher nicht in Betracht gezogen. Wie gesagt, ich arbeite an verschiedenen Texten, warten wir es also ab.

Dafür habe ich lustige und auch bemerkenswerte Erinnerungen an den Bachmannpreis vor vielen Jahren, an dem Uwe Tellkamp teilnahm und gewann. Ich war damals eine junge Frau und arbeitete als Literaturagentin in einer Berliner Literaturagentur. In dieser Funktion durfte ich nach Klagenfurt reisen. Ich erinnere mich noch daran, wie schwer es mir fiel, den endlosen Lesungen und anschließenden Diskussionen zu folgen, wie ich mich mit heißen Händen an den Textblättern festhielt, die zum Glück zusätzlich zum Mitlesen ausgeteilt wurden, an die gleißende Hitze und an das Schwimmen im Wörthersee, herrlich, so erfrischend, so frei, endlich fort von allem erforderlichen Netzwerken, Verbindungen-Knüpfen, höflichem Lächeln. Das hat mir nie gelegen, und ich mag es immer noch nicht besonders.

Darf ich Dich abschließend um ein Ingeborg-Akrostichon bitten?
in meinen aufgespreizten schoß leg ich
nur alternde hände und solche knappen
gedichte die wahrhaft zwingend für
eine kriegerin in der totalen sind
blau gestoßenes lässt sie in nächten
ohne fürchten ziehen papierflieger
richtet sie that is a mild way to put it
genau: zwei seltsame mechanismen


reenacting Malina _ Roman _ Ingeborg Bachmann
Herzlichen Dank, liebe Ulrike, für Deine Zeit in Wort und szenischer Darstellung hier am Romanschauplatz „Malina“ in Wien! Viel Freude und Erfolg für alle Literatur-, Kunstprojekte!
Malina _ Roman _ Ingeborg Bachmann _ im Gespräch und szenischem Fotoporträt:
Ulrike Schrimpf, Schriftstellerin
https://www.ulrike-schrimpf.de/
Interview und alle Fotos_Walter Pobaschnig _Wien
Station bei Ingeborg Bachmann_Malina.
Walter Pobaschnig 5_22