Lieber Reinhard, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Ich bin momentan sehr mit Schreibarbeit eingedeckt: dem Fertigstellen meiner Promotion, dem Fertigstellen von meinem nächsten Lyrikmanuskript, das in Kürze bei der Wiener Edition Melos erscheint; wenn dann noch Zeit bleibt, arbeite ich an meiner Kurzgeschichtensammlung.
Und, es steht ein Neuanfang mit meiner Partnerin bevor: wir werden von Würzburg nach Wien umziehen.

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Es ist schwierig, auf die aktuelle Weltlage und unsere Probleme – Ukraine-Konflikt, Pandemie, Umweltzerstörung – schnelle und richtige Antworten zu finden. Andererseits ist zeitlos, was uns als Gesellschaften zusammenhält: Engagiert sein, die und den Anderen ‚sehen‘, wo man kann die eigene Stimme einsetzen, für Solidarität und für Frieden, der niemals selbstverständlich ist.
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?
Auch hier fällt mir vermutlich bloß etwas Altbackenes ein, das dennoch wichtig bleibt: die Kunst als Vermittlerin zwischen uns Individuen, als eine Sprache vorerst ohne Verzweckung, ohne Funktionszusammenhang, die uns dadurch zur humanen, humanistischen Verständigung dienen kann.
Was liest Du derzeit?
Ferdinand von Schirachs Roman „Tabu“, und die aktuellen Short Stories von T.C. Boyle, „Sind wir nicht Menschen“.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
„Früher in der Zeit vor der Box, hatten meine Tochter und ich ein Freitagnachmittagsritual: Ich hielt auf dem Heimweg bei dem italienischen Restaurant gleich um die Ecke von unserem Haus, trank etwas, plauderte ein bisschen mit denen, die ich kannte, und rief dann Katie an und lud sie zu unserem Vater-Tochter-Abendessen ein, um ein wenig Zeit nur mit ihr zu verbringen, in ihr zu lesen, an den Gedanken und Gefühlen einer jungen heranwachsenden Frau teilzuhaben. Aber das taten wir nicht mehr.“
Aus: T.C. Boyle, „Wiedererleben/Sind wir nicht Menschen. Stories“
Vielen Dank für das Interview lieber Reinhard, viel Freude und Erfolg weiterhin für Deine großartigen Literaturprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
5 Fragen an Künstler*innen:
Reinhard Lechner, freischaffender Autor und Übersetzer
Foto_Susanne Schäflein
3.6.2022_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.