Liebe Noa, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Im Moment gibt es bei mir keinen bestimmten Tagesablauf. Da ich viele verschiedene Dinge gleichzeitig mache, muss ich in meinem Tagesablauf flexibel sein. Im Moment konzentriere ich mich zum Beispiel auf drei verschiedene Dinge: Ich bin Pianistin, also muss ich tägliches Üben in meinen Tag einbauen, ebenso wie Proben und Unterrichte. Dann organisiere ich auch noch das internationale Kammermusikfestival Joie de Vivre – was von alleine schon aus einer Vielzahl von Aufgaben besteht. Das dritte Projekt, an dem ich arbeite, ist der Dreh eines Dokumentarfilms über „Frauen in der Welt der klassischen Musik“. Im Moment bin ich dabei, das Drehbuch fertig zu stellen, denn wir werden demnächst mit den Dreharbeiten beginnen.

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Diese Frage finde ich schwer zu beantworten, weil sie für jeden anders ist. Wenn Sie mich nach meiner persönlichen Meinung fragen, würde ich sagen, dass es vielleicht wichtig ist, ein (erneuertes) Gemeinschaftsgefühl zu schaffen, bei dem wir uns der gegenseitigen Unterstützung bewusster werden. Ich habe das Gefühl, dass wir während der Pandemie viele Verbindungen zueinander verloren haben, wodurch sich viele von uns ein wenig verloren und allein fühlten. Dies ist auch der Grundgedanke meines Festivals „Joie de Vivre“, und ich hoffe wirklich, dass ich dadurch zu einem allgemeinen Gemeinschaftsgefühl beitragen kann.
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Musik, der Kunst an sich zu?
Ich denke, die einfache Antwort auf diese Frage ist, dass wir alle unsere Motive und unseren Standpunkt im Leben überdenken mussten. Da Musik oder jede andere Kunstform eng mit unserem inneren Wesen verbunden ist, denke ich, dass es fast unmöglich ist, diesen Prozess voneinander zu trennen, wenn man ein Künstler ist. Für Musiker oder Künstler bedeutet ein Neuanfang also möglicherweise auch einen neuen Ansatz für die Musikalität oder den Ausdruck.
Ich selbst habe eine Phase von fast einem Jahr durchgemacht, in der ich kein Klavier angefasst habe und mich auf ganz andere Dinge konzentriert habe. Ich habe viele Interessen, und es war sehr erfrischend sowie sehr wichtig, mich diesen eine Zeit lang hinzugeben. Als ich mich schließlich entschied, zum Klavier zurückzukehren, war ich ein völlig anderer Mensch. Ich bin viele meiner Unsicherheiten losgeworden und ich hatte definiert, warum ich diesen Beruf ausüben möchte.
Was liest Du derzeit?
Ich lese wirklich gerne, aber ich muss leider gestehen, dass ich im Moment kaum Zeit habe, viel zu lesen. Wenn ich aber zum Lesen komme, dann lese ich abwechselnd „Die gute Erde“ von Pearl S. Buck und „Kapitän Corellis Mandoline“ von Louis de Bernières.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
„Mut hat Genie, Kraft und Zauber in sich“. Goethe.
Vielen Dank für das Interview liebe Noa, viel Freude und Erfolg für Deine großartigen Musikprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
5 Fragen an Künstler*innen:
Noa Kleisen, Pianistin
Foto_Andrej Grilc
30.5.2022_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.