
Vor dem Elternhaus in Klagenfurt, Henselstraße 26, 9020 Klagenfurt,
anlässlich des Verkaufes an das Land Kärnten
und der Übergabe an die Stadt Klagenfurt, _2021.
Lieber Heinz, Du lebst mit Deiner Familie in London. Wann bist Du dorthin gezogen und wie sind Deine Kontakte heute nach Kärnten?
Wir wohnen etwa 100 km westlich von London in der Nähe von Oxford. Wir sind 1995 aus Spanien hierher übersiedelt. Heute beziehen sich meine Kontakte nach Kärnten hauptsächlich auf die Familie, ein paar „alten“ Freunde und natürlich auch sozusagen „offizielle“ Kontakte, vor allem das künftige IB Museum/Haus der Begegnung betreffend.

Hochzeit 7. August 1971 in London. 2 Söhne. Ingeborg Bachmann reiste zur Hochzeit an.
Du reist gern und bist in Deinem Leben viel gereist. Gerade kommst Du von einem gemeinsamen Urlaub mit Deiner Schwester Isolde von Rhodos zurück.
Deine Schwester Ingeborg schrieb ja über Ihre Kindheit „…dass ich gern am Bahndamm lag und meine Gedanken auf Reisen schickte…“.
Ist das Reisen etwas, das Euch Geschwister stark verbunden hat und verbindet? Was liebst Du am Reisen?
Meine Schwester Isolde hat meine Frau und mich nach Rhodos eingeladen, weil das möglicherweise die letzte Möglichkeit gewesen ist, sie vor dem Herbst zu sehen. Wir sehen uns zu selten.
Im Reisen liegt sicher ein gemeinsamer Drang. Vielleicht weil das in unserer Kindheit und Jugend nicht so einfach war. Uns war es immer wichtig andere Kulturen kennen und schätzen zu lernen. Das haben wir vor allem von unserem Vater, der sich sehr intensiv mit der italienischen Sprache und Literatur beschäftigte..

Fotografie von Heinz Bachmann anlässlich eines Besuches mit den Eltern
Du hast lange in Afrika gearbeitet und gelebt. Was fasziniert Dich an diesem Kontinent?
Für mich ist Afrika nicht eine Einheit, sondern ich sehe den Norden unglaublich interessant aufgrund seiner Geschichte, Kultur und der intensiv farbigen Wüstengebiete in Ägypten und Algerien, wo ich jahrelang an Studien teilgenommen habe-allerdings hab ich dort nie gewohnt. Das waren immer Geschäftsreisen von ein bis maximal zwei Wochen.
Dann die Zone vom Sahel nach Süden, die wieder ganz anders ist. Da war ich jahrelang in Gabun und im Senegal, mit Abstechern nach Tschad, Nordkamerun, Guineé Bissau und Gambia. Faszinierend durch die Herzlichkeit der Leute und ihre Liebe zur Musik. Wir gingen in dieser Zeit viel Tanzen…



Bist Du auch gemeinsam mit Deiner Schwester Ingeborg gereist?
Leider haben wir nie eine wirklich gemeinsame Reise unternommen. Da waren unsere Verpflichtungen zu unterschiedlich. Ich habe Ingeborg in Rom, Zürich und Paris besucht. Als Kind auch in Wien.
Einmal trafen wir uns in München und fuhren gemeinsam über Salzburg nach Klagenfurt. Häufige Treffen gab es natürlich in Klagenfurt und in Obervellach bei Hermagor, wo unser Vater ein hübsches Häuschen besaß.
Ein Besuch Ingeborgs war im Senegal mit einer Fahrt nach Mali geplant. Leider kam es nicht mehr dazu.

Im Herbst des letzten Jahres kam es zum Verkauf Deines und Deiner Schwestern Ingeborg und Isolde Elternhauses an das Land Kärnten und die Übergabe an die Stadt Klagenfurt zur Museumskonzeption.
Wie kam es dazu. Wie sieht derzeit die Planung zum Museum aus?

Die Idee das Haus in ein Museum zu verwandeln – mit so vielen Andenken, Möbeln, Kleidern und der Bibliothek schwebte uns ja schon einige Jahre vor Augen. Ich nahm Kontakt mit Heimo Strempfl, Direktor des Musilmuseums auf und über ihn mit der damaligen Bürgermeisterin Marie Luise Mathiaschitz. Dann kam durch meinen Neffen Andreas der Kontakt mit Samo Kobenter und über ihn mit Landeshauptmann Peter Kaiser zustande.

Klagenfurt _ 2021
Welche Erinnerungen hast Du an Deine Kindheit in Klagenfurt und an Haus und Garten in der Henselstraße?
Im Jahr 49 übersiedelte ich mit meiner Mutter vom Gailtal in die Henselstraße, weil dort ein Zimmer freigeworden war. Im Haus waren ja nach dem Krieg Flüchtlinge einquartiert worden. Die ersten Jahre waren ein bisschen ein Schock nach der Freiheit am Land. Auch kannte ich niemanden. Erst im Laufe der Jahre wuchsen mir das Haus und die Stadt ans Herz. Ich kam dann immer liebend gerne von meine Aufenthalten im Ausland zurück.

Wie war und ist für Dich die Übergabe des Hauses in Klagenfurt, das „Loslassen“ von diesem Teil Deines Lebens, der Dich/Euch ja auch stark als Familie verbindet? Was wünscht Du Dir für die Zukunft des Hauses?
Natürlich waren das zwiespältige Gefühle, aber die positiven überwiegen bei weitem.
Etwas loszulassen an dem man hängt ist nie leicht. Aber so werden viele Andenken und Erinnerungen allen zugänglich auch den vielen Familienmitgliedern. Man kann das nicht alles „gerecht“ aufteilen. Das wäre sehr schade gewesen. In ein oder zwei Generationen wäre vieles vergessen gewesen.

Am 22.6.2022 beginnt der Bachmannpreis in Klagenfurt. Es wird wieder live vor Ort sein und die Vorfreude ist groß. Wirst Du vor Ort sein?
Leider werde ich nicht kommen können, da ich derzeit in England viele Verpflichtungen habe. Das ist sehr schade. Es freut mich natürlich, dass wieder eine gewisse „Normalität“ möglich ist. Ich wünsche allen interessante Tage!

Es ist der 46.Bachmannpreis 2022. Darf ich Dich bitten zurückzublicken? Wie kam es zur Namensgebung? Welche Überlegungen, Gespräche gab es da?
Wir hatten auf die Namensgebung keinen Einfluss. Das war die Idee von Ernst Willner und Humbert Fink. Es war ja eine ausgezeichnete Idee.
Was meine Schwester Isolde und mich störte war der Name Reich-Ranicki, der meine Schwester wirklich sehr beleidigend angegriffen hatte. Das ist ja allgemein bekannt. Natürlich hat er sicher dazu beigetragen, dass dieser Wettbewerb ein durchschlagender Erfolg wurde. Später hat Reich- Ranicki auch seine Einstellung zu Ingeborg zumindest teilweise revidiert.



Was waren für Dich und Deine Schwester Isolde bzw. Eure Mutter Gründe der Zustimmung zur Namensgebung?
Isolde und ich, wir hatten ein kurzes Treffen mit Ernst Willner und brachten unsere Einwände vor ohne einen bestimmten Namen zu nennen. Es blieb aber dabei.

vor der Lesung_ORF Klagenfurt
Welche Verbindungen gab es dann in den Folgejahren zum Bachmannpreis?
Von meiner Seite aus wenige, da ich immer im Ausland weilte/weile. Wir hatten noch einen Eklat, als Haiders FPÖ in die Regierung eintrat. Aber, Gott sei Dank, Politik ist etwas Vergängliches und Literatur ist von dauerhafter Bedeutung.

Was möchtest Du den Schriftsteller:innen, die heuer teilnehmen mitgeben?
Mut für die Zukunft in diesen unsicheren Zeiten, nicht aufgeben.

im Interview nach der Preisverleihung _ im ORF Klagenfurt _ 2019

im ORF Klagenfurt _ 2019

mit Clemens J. Setz, Schriftsteller, Büchnerpreisträger 2021, Ernst Willner Preisträger 2008 in Klagenfurt _ im ORF Klagenfurt _Bachmannpreis 2019
Was wünscht Du Dir für den Bachmannpreis in Zukunft?
Möge man immer würdige Preisträger:innen finden. Die Förderung junger Talente ist so wichtig, vor allem, weil die Verkaufszahlen für Bücher stark zurückgehen und davon zu leben ist heute viel schwieriger als zu Lebzeiten meiner Schwester, obwohl es Ingeborg auch nicht gerade leicht hatte. Das wissen viele nicht, wie unsicher die Existenz selbst bekannter Schriftsteller:innen ist.

szenische Wanderung entlang der Topographie der Erzählung Ingeborg Bachmanns. Kreuzbergl/Klagenfurt _ 2019

Ist heuer eine größere Reise geplant?
Wir werden im August/September wahrscheinlich unseren älteren Sohn, seine Frau und die kleine Enkelin in den USA besuchen. Haben aber noch keine fixen Pläne.
Im Oktober möchte ich gerne nach Kärnten kommen, um dem amerikanischen Biografen Peter Filkins einen Überblick über Ingeborgs „Orte“ in unserer Heimat zu vermitteln.

im Garten des Elternhauses in der Henselstr. 26, Klagenfurt, 2021
Vielen Dank für das Interview, lieber Heinz, Gesundheit für Dich und Deine Familie wie viel Freude bei allen Reisen, Unternehmungen! Auf bald in Klagenfurt!
Interview_Heinz Bachmann, Geologe, London. Bruder von Ingeborg Bachmann.
Am 15. August 2022 erscheint der Band Ingeborg Bachmann „Die Anrufung des großen Bären“, am 21 November des Jahres der Briefwechsel „Ingeborg Bachmann/Max Frisch“ _Salzburger Bachmann Edition/Suhrkamp.
Foto_Ingeborg Bachmann: Heinz Bachmann.
Alle weiteren Fotos_ Walter Pobaschnig, Wien.
Walter Pobaschnig 6_22.