„Der Anfang meines Schreibens war kein Ort, sondern die Unruhe“ Bachmannpreis 2022 _ Behzad Karim-Khani, Schriftsteller _ Berlin 17.6.2022

Lieber Behzad, herzliche Gratulation zur Teilnahme am Ingeborg Bachmannpreis 2022!

Wie gestalte sich der Text- und Bewerbungsprozess und wie hast Du Deine Teilnahmebekanntmachung erlebt? Welche Reaktionen gab es?

Der Text ist ein Ausschnitt aus meinem in August erscheinenden Roman „Hund, Wolf, Schakal“. Die Passagen entstanden ungefähr vor einem Jahr.

Ich hatte die letzten Wettbewerbe mitverfolgt und Phillipp Tingler war mir besonders aufgefallen, seine strenge, für mich nicht immer durchschaubare Art, mit der er es mit jeder meiner Romanfiguren aufnehmen könnte. Dass der Verlag ausgerechnet ihm meinen Text gab, machte mir zunächst Angst. Dann schrieb er mir aber und gratulierte zu dem Text. Das war für mich, als hätte ich schon gewonnen. Das sagte ich ihm auch gleich.

Die beste Reaktion auf die Bekanntgabe kam von meiner Verlobten, die gleich am drauffolgenden Tag anfing, mich für den Fall zu coachen, dass ich nicht gewinnen sollte. Ich glaube, sie hält mich für keinen guten Verlierer.

Behzad Karim-Khani, Schriftsteller 

Wie gehst Du jetzt auf den Wettbewerb zu? Welche besonderen Vorbereitungen wird es geben?

Es geht hier um mein Debüt und gleich für einen so wichtigen Wettbewerb nominiert zu sein, ist natürlich eine große Sache für mich. Ich bin aber überraschend unaufgeregt. Ich meditiere aber auch wieder mehr.

Ingeborg Bachmann sagte zu den Anfängen Ihres Schreibens: „Manchmal werde ich gefragt, wie ich, auf dem Land großgeworden, zur Literatur gefunden hätte. – Genau weiß ich es nicht zu sagen; ich weiß nur, dass ich in dem Alter, in dem man Grimms Märchen liest, zu schreiben anfing, dass ich gern am Bahndamm lag und meine Gedanken auf Reisen schickte…“

Wo bist Du geboren, aufgewachsen und wo liegen die Anfänge, Wurzeln, Inspirationen Deines Schreibens?

Ich bin ein Geflüchteter, ein Flüchtling. Auch dort, wo meine Heimat hätte sein können, war ich das. Die ersten vier Schulklassen besuchte ich an vier verschiedenen Schulen, in drei verschiedenen Städten, in zwei verschiedenen Ländern, auf zwei verschiedenen Kontinenten. Ich wohnte in den letzten 20 Jahren in zwölf, vielleicht aber auch in fünfzehn verschiedenen Wohnungen, an die ich mich teilweise nur mit einem „Ach ja! Die gab es ja auch noch.“ erinnere und die allesamt aussahen, als wohnte ich bei jemandem, der gerade verreist war oder als wäre ich dabei auszuziehen. In mindestens zwei Wohnungen packte ich die Kartons nicht einmal aus, in eine weitere trug ich meinen Kram erst gar nicht rein. Das hat aber nichts Problematisches oder gar Dramatisches für mich. Ganz im Gegenteil.

Die Schwere, das zufällig Gewachsene, das unkontrolliert Wuchernde, das sich mit dem Bleiben zwangsläufig ergibt, fand ich immer beklemmend. Ich weiß nicht, wie die Verbundenheit mit einem Ort aussehen soll. Wie es sich anfühlt, wenn ein Berg, ein Stadtteil einen inspirieren. Und so habe ich Heimatprosa nie verstanden. Der Anfang meines Schreibens war kein Ort, sondern die Unruhe.

Was ist Dir in Deinem Schreiben wichtig und welche aktuellen Projekte gibt es?

Bei meinem aktuellen Roman ging es sprachlich darum, einen neuen Ton zu kreieren. Rhythmus, Bildsprache, Intensität, Dichte. Darum, Pathos zu wagen, aber auch zu dosieren. Melancholie zu wagen, aber ihr auch eine Härte, eine erzählerische Kühle entgegenzusetzen.

Das zweite Buch, an dem ich gerade arbeite, ist anders. Es trägt sich nicht über einen Sound. Es ist die gleiche Handschrift, aber es soll kein Stil erkennbar sein. Stil ist eine Falle. Es geht dort darum, ein neues post-Nachkriegsdeutschland zu erdenken.

Das tue ich, indem ich versuche zwischen meinem Vater und meinem Sohn, mein gesellschaftliches Ich zu verhandeln. Dafür gilt es, meinen Vater zu verstehen. Seine Wandlung, seine Liebe, sein Schweigen, seine Müdigkeit, sein Deutschland.

Was kommt unbedingt auch in den Reisekoffer für Klagenfurt?

Nicht viel. Das Nötige.

Vielen Dank für das Interview! Viel Freude und Erfolg in Klagenfurt!

Bachmannpreis 2022 _ Teilnehmer:innenvorstellung:

Behzad Karim-Khani, Schriftsteller 

Foto_privat.

Walter Pobaschnig 6_22

https://literaturoutdoors.com

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